Wir werden heute über die Vier Edlen Wahrheiten reflektieren. An einem Vollmondtag im Monat Vaisakha, dem vierten Mondmonat, der auf Ende Mai oder Anfang Juni fällt, erlangte Buddha in Bodh Gaya unter dem Bodhi-Baum die Erleuchtung.
Nachdem er die Erleuchtung erlangt hatte, wollte der Buddha dieses Wissen weitergeben, befürchtete aber, dass niemand ihn verstehen würde. Es wird gesagt, dass es Indra, der König der Devas (Engel) und der König der Brahmas, Sahampati, waren, die den Buddha mit den Worten überredeten: „Es gibt einige Wesen da draußen, die nicht so viel Staub in ihren Augen haben, sie werden es verstehen.“ Daraufhin beschloss der Buddha, Unterweisungen zu geben und überlegte, an wem er seine Lehren zuerst weitergeben sollte, denn es war sehr wichtig, dass diese Menschen ihn verstanden.
Er entschied, die fünf Asketen aufzusuchen, die einst mit ihm praktiziert hatten und ihn verließen, als er seine strenge Askese aufgab und nach langer Fastenzeit, wieder zu essen begann. Sie würden ihn vielleicht verstehen. Er zog los, um sie zu suchen, und fand sie in Varanasi am Ganges. Hier gab er seine erste Unterweisung.
Diese erste Lehrrede waren die Vier Edlen Wahrheiten – sie ist das Herzstück der buddhistischen Lehre. Alle anderen Unterweisungen umgeben sie oder führen zu ihr hin. Sie ist der Kern der Lehre Buddhas. Einem Asketen, der den Buddha nach seiner Lehre fragte, antwortete er: “Ich lehre nur das Leiden, die Ursache des Leidens, die Beendigung des Leidens und den Pfad, der zur Beendigung des Leidens führt.” – dies sind die Vier Edlen Wahrheiten.
Betrachtung der Vier Edlen Wahrheiten
Die erste der Edlen Wahrheiten ist das Leiden. Manche Menschen mögen dieses Wort nicht, da sie der Meinung sind, sie würden nicht leiden. Sie führen ein gutes Leben und leiden nicht. MC Brigitte erzählt, sie habe viele Schüler, die in den Tempel kommen und sagen, sie würden nicht leiden.
Doch man könnte das Leiden auch als Unwohlsein bezeichnen, als ob etwas nicht in Ordnung wäre, da die Dinge nicht so sind, wie wir sie gerne hätten. Dafür gibt es eine Ursache, einen Grund für dieses Unwohlsein oder diese Unzufriedenheit, das ist die zweite Edle Wahrheit. Sie führt zur dritten Edlen Wahrheit – der Wahrheit dass das Leiden beendet werden kann. Und die vierte edle Wahrheit – der Achtfache Pfad, der zum Verlöschen des Leidens führt.
Einige Leute fragten, warum die Vier Edlen Wahrheiten auf diese Weise erklärt werden, und die Beendigung des Leidens die dritte und nicht die vierte der Edlen Wahrheiten ist. Das liegt daran, dass der Buddha mit einem Arzt verglichen wird. Ein Arzt identifiziert die Krankheit und, was wichtig ist, er analysiert die Ursache für das Leiden. Dann zeigt er auf, wie die Krankheit zu heilen ist. Der Pfad ist das Rezept, das der Arzt dem Patienten gibt, um die Krankheit zu beenden.
Was ist Leiden?
Die offensichtlichste Art des Leidens ist die Geburt. Geburt ist nicht komfortabel. Hinzu kommen Krankheiten, die wir nicht mögen. Auch das Alter ist Leiden. Und der Tod ist Leiden. Als der Bodhisattva als junger Mann einen kranken Mann, einen alten Mann und einen Leichnam sah, schnitt es ihm tief ins Herz. Und er beschloss, alles Leiden zu überwinden.
Wir sehen jeden Tag Leiden. Die Dinge sind nicht befriedigend. Wir bekommen nicht die Dinge, die wir haben wollen, und wir bekommen Dinge, die wir nicht wollen. Wir sind von denen getrennt, die wir lieben, besonders jetzt in der Pandemie, wir sehen weder Freunde noch Familie. Dann sind wir andrerseits mit denen verbunden, die wir nicht mögen, wie Kollegen oder Nachbarn, die schwierig sind. Auch das ist Leiden. Jede Art von Depression, Trauer und körperlicher Schmerz machen uns nicht glücklich. Selbst wenn wir bekommen, was wir wollen, sind wir nur für einen Moment glücklich und langweilen uns dann. Es ist nicht so, dass wir das Glück ewig festhalten können. Es ist vergänglich und unbeständig. Das ist Leiden.
Die Ursache des Leidens
Warum gibt es Leiden? Die Ursache des Leidens ist Anhaftung. Wir halten an den Dingen fest, die wir mögen, und streben nach mehr und mehr Glück. Und wir fallen in Abneigung, Wut, und Hass – den Dingen gegenüber, die wir nicht wollen. Dieses Anhaften ist die Ursache des Leidens.
Die tiefere Ursache für dieses Anhaften ist unsere Unwissenheit, unser Nicht-Wissen. Sich nicht klar über den Dhamma zu sein oder über die wahre Natur der Dinge. Wir haften an einem Selbst – das „Ich“, das dieses will und das „Ich“, das das nicht will. Unwissenheit ist der Hauptgrund, ohne diese falsche Ansicht, entstehen weder Ärger noch Verlangen oder wenn sie entstehen ist da keine “Ich” das darauf zugreift, daran haftet. Diese Anhaften ist die Ursache allen Leidens.
Die Wahrheit über die Beendigung des Leidens
Das Verständnis der dritten edlen Wahrheit – über das Verlöschen des Leidens ist, dass das Leiden aufhören kann. Die Krankheit (des Geistes) kann überwunden werden, sie kann geheilt werden.
Der Pfad, der zur Beendigung des Leidens führt
Es gibt einen Weg, den wir gehen können, um das Leiden zu überwinden – das ist der Edle Achtfache Pfad. Das Symbol für den Edlen Achtfachen Pfad ist das Dhamma-Rad mit acht Speichen. Der Edle Achtfache Pfad wird auch als der mittlere Weg bezeichnet, was bedeutet, dass man extreme sinnliche Genüsse wie auch extreme Entbehrungen vermeidet. Der Buddha genoss Sinnesfreuden, bevor er die Erleuchtung erlangte, und versuchte das Leiden durch strenge Askese zu überwinden. Dabei verstand er: “Betreibt man zu extreme Askese, dann wird der Körper zerbrechen und sterben. Gibt man sich zu sehr dem sinnlichen Vergnügen hin, dann gibt es keine Ergebnisse.“
Der Edle Achtfachen Pfad
Der Edle Achtfache Pfad beginnt mit der Rechten Sichtweise. Die rechte Sichtweise ist, immer ein Verständnis für das haben, was man “Selbst” nennt – dieses problematische Selbst. Was ist es wirklich? Es gibt fünf Aggregate der Existenz. Diese sind Körper, Gefühle, Wahrnehmung (Gedächtnis und Konzepte), Geistformationen und Bewusstsein. Diese fünf Aggregate sind das, was wir als das “Selbst” identifizieren. Die rechte Sichtweise kann diese fünf Aggregate und die Vier Edlen Wahrheiten sehen – das Leiden, die Ursache des Leidens, die Beendigung des Leidens und den Pfad, der zur Beendigung führt.
Die zweite Speiche ist rechtes Denken, was bedeutet, die drei Merkmale der Existenz zu sehen, Unbeständigkeit (anicca), Leidhaftigkeit (dukkha) und Nicht-Selbst (anatta). Über diese drei Merkmale sollte man immer wieder kontemplieren. Wir wenden sie an, wenn wir uns in Meditation üben.
Die dritte Speiche ist die Rechte Rede. Dies bedeutet, Lügen, spaltende Reden, also Reden, die Menschen entzweien, grobes Reden und sinnloses Geschwätz zu vermeiden.
Dann gibt es das Rechte Handeln. Dazu gehört nicht zu töten und nicht zu stehlen, sowie sexuelles Fehlverhalten zu vermeiden.
Desweiteren gibt es den Rechten Lebensunterhalt. Hier geht es darum, den täglichen Lebensunterhalt zu verdienen, ohne Leid zu verursachen. Zum Beispiel, keine Tiere zu töten oder Menschen auszubeuten, sowie nicht mit Drogen oder Waffen zu handeln.
Es folgen die Rechte Anstrengung, die Rechte Achtsamkeit und die Rechte Konzentration. Die Rechte Anstrengung bedeutet die Kultivierung heilsamer Geisteszustände, unheilsame Geisteszustände loszulassen und zu verhindern, dass sie in Zukunft entstehen. Die Rechte Achtsamkeit bedeutet eine Achtsamkeit über Körper, Empfindungen, Gefühle und den Geist zu entwickeln. Die Rechte Konzentration ist die Entwicklung einer Konzentration, die zur Rechten Achtsamkeit hinführt.
Der Edle Achtfache Pfad setzt sich aus drei Teilen zusammen. Der Weisheit, dazu gehören die Rechte Ansicht und das Rechte Denken. Dem ethischen Verhalten, also die Rechte Rede, das Rechte Tun und der Rechte Lebensunterhalt. Und dritte Teil ist die Meditation mit der Rechten Anstrengung, der Rechten Achtsamkeit und der Rechten Konzentration.
Wir sollten die Rechte Anstrengung üben, um heilsame Gedanken, Sprache und Handlungen in unserem Herzen und unserem Geist entstehen zu lassen. Wir sollten diese heilsamen Dinge pflegen und unterstützen, wenn sie aufgekommen. Sich freuen daran, heilsame Taten zu tun und unheilsame Gedanken, Reden und Handlungen vermeiden. Sollte Unheilsames im Herzen und im Geist entstanden sein, sollten wir versuchen, es loszulassen und langsam zu reduzieren.
Rechtes Bemühen oder Anstrengen reinigt den Geist. Die höhere Ebene der Rechten Anstrengung ist das Loslassen der Unterscheidung zwischen Gut und Schlecht, dies ist eine tiefe Ebene des Gleichmuts und Einsicht in die Nicht-Dualität.
Die Rechte Achtsamkeit wird immer auf das gegenwärtige Objekt angewendet. Was auch immer im gegenwärtigen Moment auftaucht, wir wissen es, wir sind uns dessen bewusst und wir beobachten. Es bedeutet auch, dass Objekt mit rechtem Denken zu betrachten. Das bedeutet, das wir wissen, dass das Objekt unbeständig und nicht zufriedenstellend, und es nicht unter meiner Kontrolle ist.
Manche denken, dass das fokussieren auf das Heben und Senken der Bauchdecke Vipassana (Einsichtsmeditation) ist. Doch eigentlich ist dies eine Konzentrationsübung. Nur wenn wir die Reflexion über die wahre Natur der Bewegung der Bauchdecke und des Atems praktizieren, wird es zur Vipassanaübung. Es ist also Konzentration (samatha), die den Geist auf das gegenwärtige Objekt bringt, die Achtsamkeit (sati), es zu erkennen, und das klare Verstehen (sampajanna) in Kombination, so dass Weisheit entstehen kann. Dies wäre Rechte Achtsamkeit (samma-sati).
Rechte Konzentration (samatha) bedeutet, unseren Geist soweit zu fokussieren, um Rechte Achtsamkeit hervorzubringen. Manche Leute sagen, dass durch Samatha-Praxis keine Weisheit entsteht, aber wir brauchen Konzentration, ohne Konzentration ist es nicht möglich Vipassana zu praktizieren. Diejenigen, die täglich mit MC Brigitte meditieren, wissen dass sie die Meditationen auf diese Weise aufbaut. Zunächst wird für einige Minuten Konzentration geübt, wir versuchen nur mit dem Atem zu sein um den Geist zu beruhigen und Gedanken loszulassen. Erst anschließend öffnet man sich mehr dem gegenwärtigen Moment und Objekt. Für die meisten ist es nicht möglich, direkt zum aktuellen Objekt zu gehen, weil der Geist schnell in Gedanken involviert wird, es sei denn, man übt seit langer Zeit.
Dies ist also der Edle Achtfache Pfad und es ist die Medizin, die uns der Buddha gab, um das Leiden zu beenden.
MC Brigitte erklärt die Vier Edlen Wahrheiten gerne auf eine einfache Art und Weise:
Da ist Leiden und ich weiß, dass Leiden vom Festhalten kommt. Das Festhalten führt zu Leiden. Es gibt die Beendigung des Leidens und auch das hat eine Ursache. In der Lehre des Buddha geht es immer um Ursache und Wirkung. Die Ursache für das Ende des Leidens ist das Loslassen. Lass los und das Leiden hört auf. Probier es aus. Willst du den Weg des Leidens gehen? Halte fest, so gut es geht, es ist ganz leicht. Hafte an so gut du kannst und du wirst zu 100 % leiden.
Möchtest du frei sein vom Leiden, dann trainiere den Geist loszulassen. Der Edle Achtfache Pfad ist der Weg dazu. Es gibt also zwei Wege und die Wahl liegt bei dir. Der Weg zum Leiden und der Weg zu Ende des Leidens. Willst du Leiden, halte fest, willst du nicht mehr Leiden, lasse los.
Wenn der Edle Achtfache Pfad zur Beendigung des Leidens führt, ist es auch möglich ihn in entgegengesetzter Weise zu praktizieren – beginnend mit der Falschen Ansicht. Etwa durch eine falsche Sicht auf die Dinge. Die wahre Natur der Dinge nicht zu sehen, die fünf Aggregate oder die Vier Edlen Wahrheiten nicht zu sehen, führt zu Leiden.
Falsches Denken bedeutet, die Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und das Nicht-Selbst nicht zu sehen, dies führt zu Leiden. Wenn dein Denken zu Leiden führt, dann weißt du: „Ich war wieder in die falschen Gedanken verstrickt.“ Benutze die Weisheit und das Wissen, dass du hast, und wende es auf die gegenwärtige Situation an. Was ist schief gelaufen? Worin liegt der Denkfehler? Dann kannst du die Beendigung des Leidens erreichen. Du hast die Wahl, ob du den Edlen Achtfachen Pfad oder seinem Gegenteil folgen möchtest.