Gleichmut ist das letzte der zehn Parami des Buddhismus. Gleichmut zu entwickeln bedeutet, über den Dingen zu stehen und nicht mehr involviert zu werden. Dennoch ist es keine trockene Neutralität, denn Gleichmut beinhaltet Wärme und Mitgefühl für andere Wesen. Zugleich entsteht Gleichmut aus einem tieferen Verständnis von Ursache und Wirkung. Alle Wesen erfahren die Auswirkungen der Ursachen, die sie mit früheren Taten, Worten und Gedanken gesetzt haben – sie erleben das Resultat ihres eigenen Karmas.

Dennoch ist man Anderen gegenüber nicht gleichgültig und sagt: „Das ist deine eigene Schuld. Das ist dein Karma“, sondern man versucht zu helfen, wenn man es kann. Man beobachtet und sieht, ob es die Möglichkeit gibt, einzugreifen, um das Leiden anderer zu lindern. Kann man jedoch nichts tun, lässt sich nicht in das Leid mit hineinziehen.

Gleichmut wird beschreiben als eine der erhabensten Emotionen der buddhistischen Praxis. Es ist der Boden für Weisheit und Freiheit sowie der Beschützer von Mitgefühl und Liebe.

Der Buddha beschrieb einen von Gleichmut erfüllten Geist als „erhaben, unermesslich, ohne Feindseligkeit und ohne bösen Willen“.

Wenn wir zum Beispiel beleidigende Worte nicht mehr persönlich nehmen, nicht darauf reagieren, dann ist da Gleichmut. Dieser entsteht durch Loslassen, durch das Gelöst sein von dem, was äußerlich passiert. Wir bleiben entspannt und gleichmütig.

Die sieben geistigen Qualitäten des Gleichmutes

Ein Ansatz zur Entwicklung von Gleichmut besteht darin, die Qualitäten des Geistes zu kultivieren, die den Gleichmut stärken. Es gibt sieben Qualitäten.

Die erste Qualität ist Moral oder ethische Prinzipien. Wenn wir Integrität haben und uns innerlich sicher sind, dass wir keinen Schaden für uns selbst oder andere produzieren, dann gibt das Selbstbewusstsein, und auch Gleichmut.

Buddha sagte, dass jeder, der moralische Integrität besitzt, in jedem sozialen Umfeld mit Sicherheit auftreten kann. Gleichmut entsteht durch Geistesreinheit.

Die zweite Qualität wäre Vertrauen. Mit Vertrauen können wir praktizieren und meditieren, egal, welche Hindernisse auftauchen. Wir können diese sehen und hinnehmen, wie sie sind und gleichmütig weiter praktizieren. Auf Weisheit gegründete Vertrauen ist sehr mächtig. Das Pali-Wort für Vertrauen (saddha) wird auch mit Zuversicht übersetzt. Ein gut entwickelter Geist ist die dritte Stütze. Das bedeutet, dass wir die geistige Stabilität haben, Konzentration und Achtsamkeit zu entwickeln, welche das Fundament für den Gleichmut sind. Ist der Geist ruhig und stabil, können ihm die acht weltlichen dhammas (loka-dhamma) nicht mehr aus der Balance bringen.

Wohlbefinden und Verständnis

Die vierte Qualität ist Wohlbefinden. Das ist etwas, was wir oft nicht genügend kultivieren. Dabei ist unser Wohlbefinden sowohl wichtig für die Praxis, als auch für das Entwickeln von Gleichmut und Gelassenheit.

Die fünfte Qualität ist Verständnis. Dies bedeutet, dass wir lernen den gegenwärtigen Moment zu akzeptieren wie er ist. Oft können wir den gegenwärtigen Moment nicht akzeptieren, da er leidhaft ist. Da gibt es etwa Schmerzen im Körper oder Schmerzen, die im Kontakt mit anderen entstehen. Können wir diese nicht akzeptieren, wird alles nur noch schlimmer. Wir fügen zum physischen Schmerz noch den geistigen Schmerz des Nicht-Akzeptierens hinzu. Leiden ist ein Teil des Lebens, ein Teil der Natur. Wir müssen dies akzeptieren. Damit verringern wir den Widerstand gegen die gegenwärtige Situation und verringern somit das Leiden.

Weisheit ist unerlässlich, um zu lernen, den gegenwärtigen Moment zu akzeptieren und für das präsent zu sein, was geschieht, ohne dass der Verstand Widerstand leistet.

Weisheit kann uns lehren, die Handlungen der Menschen von dem zu trennen, wer sie sind. Wir können ihren Handlungen zustimmen oder nicht zustimmen, aber in unserer Beziehung zu ihnen ausgeglichen bleiben. Wir können auch verstehen, dass unsere eigenen Gedanken und Impulse aus Bedingungen resultieren. Sie nicht so persönlich zu nehmen, macht es wahrscheinlicher, dass wir bei ihrem Auftauchen entspannt bleiben.

Weisheit versteht, dass Menschen für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich sind, das hilft, angesichts des Leidens anderer Menschen, Gleichmut zu bewahren. Wir können ihnen das Beste wünschen, aber wir vermeiden ein falsches Verantwortungsgefühl für ihr Wohlergehen.

Einsicht und Freiheit

Einsicht wäre die sechste Qualität. Hierbei geht es um die Einsicht in die tiefere Natur des Seins. Wenn wir erkennen, dass die Dinge vergänglich sind, sich ständig verändern, dass man sie also nicht festhalten kann, dann entsteht Gleichmut durch Loslassen. Je mehr wir loslassen können, desto tiefer wird unser Gleichmut.

Die letzte Qualität wäre Freiheit. Hier geht es darum, zu erkennen, dass Freiheit entsteht, wenn wir nicht mehr auf alles reagieren müssen. Man beobachtet, lässt los. Dieses Nicht-Reagieren führt dazu, dass Gleichmut und Freiheit entstehen.

Formen des Gleichmutes

Es gibt zwei Form des Gleichmutes. Die erste Form entsteht durch Beobachten, was im Außen passiert. Die zweite Form basiert auf der inneren Balance. In der Achtsamkeitspraxis kommen beide Formen zusammen und vereinen sich. Wird die Achtsamkeit stärker, nimmt auch der Gleichmut zu. Wenn Gleichmut zu einer inneren Kraft wird, führt das dazu, dass man die innere Balance viel länger halten kann und dies dann auch in schwierigen Situationen möglich ist.

Gleichmut in den vier Brahmaviharas

Gleichmut ist einer der vier göttlichen Verweilungszustände (Brahmavihara). Das erste Brahmavihara ist Metta, liebende Güte, das zweite Karuna, Mitgefühl, das dritte ist Mudita, Mitfreude und das vierte ist der Gleichmut, Upekkha.

Die Brahmaviharas zeigen sich darin, dass man eine Situation beobachtet und handelt, wenn es möglich ist. Wenn es nicht möglich ist, bleibt man in der beobachtenden Position. Aber immer zusammen mit Mitgefühl für die anderen Wesen. Das wäre Gleichmut im Sinne der Brahmaviharas. Wir sind nicht gleichgültig, sondern immer da, wenn es anderen weiterhilft. Gerade als Brahmavihara ist upekkha mit der Hilfsbereitschaft verbunden, Freundlichkeit zu zeigen, die sofort eingreift, sobald die Möglichkeit besteht. Gleichmut hat auch die Funktion einer umfassenden Übersicht (Supervision). Wenn alle an einem Ereignis beteiligten Faktoren richtig zusammenspielen, muss upekkha nur noch den Verlauf der natürlichen Entwicklung überwachen. Es ist vergleichbar mit der Arbeit eines Kutschers. Wenn die Pferde im richtigen Tempo laufen und die Kutsche gut fährt, hält der Kutscher die Zügel in der Hand, greift aber nicht ein. Er beobachtet nur und ist dabei nicht gleichgültig, denn er muss auf die Pferde und den Weg achten.

Gleichmut in den meditativen Vertiefungen

Wenn jemand Jhana, also Vertiefungskonzentration praktiziert, dann funktioniert das auch nur mit Gleichmut. In den Vertiefungen steht der Gleichmut für eine starke Stabilität. Sie sorgt dafür, dass man weder durch äußere Sinneneindrücke noch durch innere Emotionen aus der Balance kommt.

Gleichmut ist sowohl ein Parami als auch eines der Erleuchtungsglieder (bojjhanga). Bei beiden hat es die Funktion der Gelassenheit, unabhängig davon, wie schwierig die Umstände im Leben auch sein mögen.

Gleichmut und die Loka-dhammas

Die acht Loka-dhammas kommen immer wieder in den Lehrreden des Buddha vor. Diese sind Gewinn und Verlust, Lob und Tadel, guter Ruf und schlechter Ruf sowie Leiden und Glück. Upekkha zu praktizieren bedeutet, angesichts der acht weltlichen Dhammas unerschütterlich und neutral zu bleiben.

Buddha sagte: „Gewinn und Verlust, Lob und Tadel, Freude und Kummer kommen und gehen wie der Wind. Um glücklich zu sein, musst du wie ein riesiger Baum inmitten all dieser Dingen ruhen.“ Die acht Loka-dhammas werden auch die acht weltlichen Winde genannt. Ein großer, kräftiger Baum, der allen Winden trotzt.

Ferne und nahe Feinde des Gleichmutes

Ferne Feinde des Gleichmutes sind Gier und Hass. Fern deshalb, weil sie völlig anders sind als der Gleichmut. Nahe Feinde sind Apathie und Gleichgültigkeit, weil sie oberflächlich dem Gleichmut ähnlich sind, ihm aber subtil entgegenstehen. Gleichmut hat im Gegensatz zur Gleichgültigkeit jedoch immer moralische Prinzipien. Wer jedoch gleichgültig ist, kümmert sich nicht darum, ob andere unter den ausgeführten Handlungen leiden. Bikkhu Bodhi schreibt über Gleichmut: „Die wahre Bedeutung von Upekkha ist Gleichmut, nicht Gleichgültigkeit im Sinne von Gleichgültigkeit gegenüber anderen. Als spirituelle Tugend bedeutet Upekkha Stabilität angesichts der Schwankungen des weltlichen Schicksals. Es ist Ausgeglichenheit des Geistes, unerschütterliche Freiheit des Geistes, ein Zustand des inneren Gleichgewichts, das nicht durch Gewinn und Verlust, Ehre und Unehre, Lob und Tadel, Freude und Schmerz gestört werden kann. Upekkha ist Freiheit von allen Punkten der Selbstbezogenheit, es ist Gleichgültigkeit nur gegenüber den Forderungen des Ego-Selbst mit seinem Begehren für Vergnügen und Macht, nicht für das Wohlergehen der Mitmenschen. Wahrer Gleichmut ist der Höhepunkt der vier sozialen Haltungen, die die buddhistischen Texte die göttlichen Verweilungszustände oder Brahmaviharas nennen: liebende Güte (Metta), Mitgefühl (Karuna), altruistische Freude (Mudita) und Gleichmut (upekkha). Letzteres überschreibt und verneint die vorhergehenden drei nicht, sondern vervollkommnet und vollendet sie.“