Khanti oder Geduld ist die sechste Vollkommenheit. Geduld ist besonders wichtig auf dem Weg zur Befreiung. Khanti kann man im Buddhismus mit Toleranz, Ausdauer und Nachsicht, aber auch Vergebung übersetzten.
Geduld bedeutet für uns, dass, wenn körperliche oder geistige Schwierigkeiten in der Praxis oder im täglichen Leben auftreten, wir nicht gleich aufgeben, sondern das ertragen. Dazu gehört auch, Geduld aufzubringen, wenn die Menschen nicht so sind, wie wir sie gerne haben wollen oder wenn sie mit ihrer Sprache oder ihren Handlungen Leid für uns schaffen. Wir sollten Geduld haben, wenn die Dinge nicht so sind, wie wir es gerne haben möchten.
Es wird gesagt, dass man ohne Geduld, keine Fortschritte auf dem spirituellen Weg machen kann. Ohne Geduld entwickelt man keine Konzentration. Konzentration ohne Geduld funktioniert nicht. Das bedeutet, dass man nicht gleich aufgibt, wenn in der Meditation Schmerzen auftauchen, wenn da viele Gedanken oder Emotionen im Geist sind, sondern mit Geduld versucht, dabei zu bleiben, es sich anzuschauen und dann auch loszulassen.
Wenn keine Konzentration im Geist ist, ist es auch sehr schwierig Weisheit zu entwickeln. Weisheit entsteht, wenn der Geist ruhig wird.
Der Zweck des Übens von Khanti
Geduld kann auch geübt werden, wenn wir schwierigen Menschen begegnen. Wir sollten versuchen, bei Schwierigkeiten und Problemen nicht mit Ärger, Hass oder Groll zu reagieren.
In der Sabbasava-Sutta des Majjhima Nikaya beschrieb der Buddha die Toleranz gegenüber Schwierigkeiten, die wahrscheinlich aus inneren und äußeren Quellen entstehen, als eine der sieben Methoden, um die geistigen Unreinheiten zu überkommen. Dabei ist es auch wichtig, dass Toleranz als Vollkommenheit, aus Mitgefühl für andere Wesen praktiziert wird, ohne weltliche Gewinne in diesem Leben oder in zukünftigen Leben zu erwarten, sondern mit der einzigen Absicht, die geistigen Unreinheiten zu beseitigen und Erleuchtung zu erlangen, um dem Leiden und dem Kreislauf von Geburt und Tod zu entkommen.
Warum sind wir ungeduldig?
Meistens führt zu Ungeduld, dass wir nicht zufrieden sind mit dem was ist. Wir können nicht akzeptieren, wie die Menschen im gegenwärtigen Moment sind, wir können nicht akzeptieren, wie die Situation im gegenwärtigen Moment ist. Meist sind die Situationen, die Umstände oder die Menschen um uns herum, nicht so, wie wir es gerne möchten. Daraus entsteht Ungeduld und auch Ärger.
Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass andere Fehler haben, genauso wie wir Fehler haben. Wir sollten Geduld mit ihnen, wie auch mit uns selbst haben. Dabei hilft es, die Situation, die Menschen und die Umstände, so wie sie im Moment sind, zu akzeptieren und SEIN zu lassen. Wenn man ungeduldig wird oder Ärger entstehen lässt, ist das sehr zerstörerisch. Ärger ist eine der am zerstörerischsten Sachen in unserem Leben. All die Verdienste, die man ansammelt im Leben, können durch Ärger zerstört werden. Deshalb sollte man mit Ärger sehr vorsichtig sein.
Einen Großteil unserer Zeit werden wir davon angetrieben, Dinge zu erreichen, Dinge tun zu müssen. Da ist immer so eine Unruhe im Geist, immer so ein Ziehen von etwas Negativem im Herzen, dass uns antreibt, dass Dinge jetzt getan werden müssen. So kommt man nicht zur Ruhe.
Geduld im spirituellen Weg
Wir beginnen mit der Meditation und wollen schnell die Erleuchtung erreichen.
Im Taoismus gibt es eine schöne Geschichte dazu. Ein neuer Schüler ging zum Meister und fragte ihn, wie lange es dauern würde, um die Erleuchtung zu erreichen. Der Meister antwortete: „10 Jahre“. Darauf fragte der Schüler, ob es schneller gehen würde, wenn er wirklich hart üben würde. Darauf antwortete der Meister: „Dann brauchst du 20 Jahre“. Als der Student weiter nachfragte, ob es nicht schneller gehen würde, wenn er wirklich alle seine Kraft in die Praxis setzte, antwortete der Meister: „Du brauchst sicher 30 Jahre“.
Diese Geschichte versinnbildlicht die Ungeduld auf dem spirituellen Weg. Man will etwas sehr schnell erreichen. Der Geist ist immer irgendwo in der Zukunft, wo das erwartete Ziel zu sein scheint. Dabei kann Erleuchtung nur im gegenwärtigen Moment passieren, nur sind wir nie präsent.
Darum ist es wichtig zu üben, den Weg zu gehen, ohne auf Ergebnisse zu warten. Ergebnisse werden kommen, wenn die Zeit reif ist. Es ist nicht relevant, wann es soweit ist, sondern dass wir den Weg gehen.
Geduld im täglichen Leben
In Ländern wie Japan, China und Korea setzten die Eltern wirklich alles daran, dass die Kinder möglichst viel lernen. Alles dies geschieht meist unter Zwang und mit rigiden Tagesabläufen. Der ganze Tag ist eingeteilt, um immer mehr zu lernen. Die Kinder haben keine Freiheit mehr, sie selbst zu sein. Es gibt kein Vertrauen und keine Geduld mehr darauf, dass sie sich selbst entwickeln und spielend Erfahrungen machen. Mittlerweile bekommen die Kinder im Alter von acht Jahren schon Magengeschwüre vom Stress. Zudem gibt es eine hohe Selbstmordrate von Kindern in diesen Ländern.
Dies sind Auswirkungen von Ungeduld. Wenn man nicht erlaubt, dass sich die Dinge natürlich entwickeln.
Geduld hilft uns auch bei Ärger. Die Geduld hat die Funktion den Ärger zu ersetzen, wenn die Dinge einmal nicht so sind, wie man sie gerne haben möchte.
Im Geist kann nur eine Sache zu einer Zeit sein. Das ist uns nicht bewusst, weil sich der Geist so schnell ändert. So erscheint es uns, als ob wir Sehen und Hören zur selben Zeit erfahren. Entsteht Ärger im Geist und wir reagieren mit Geduld, dann ersetzt die Geduld automatisch den Ärger. Das heißt, aus dem negativen Geisteszustand, der im gegenwärtigen Moment ist, wird ein heilsamer, positiver Zustand.
Weise mit Ärger umzugehen bedeutet, zu sehen, dass da Ärger ist, zu erkennen, da gibt es eine Ursache für den Ärger und es dann sein zu lassen, nicht aus dem Ärger zu reagieren. Solange wir immer wieder aus dem Ärger handeln und sprechen, wird man den Ärger nicht reduzieren können.
Geduld und Karma
Nicht mehr auf den Ärger zu reagieren, bewirkt, unheilsames Karma durch Körper und Sprache zu vermeiden. Damit produzieren wir keine karmischen Auswirkungen in der Zukunft, die neues Leiden hervorbringen könnten.
In den buddhistischen Schriften heißt es: „Es gibt keine größere Missetat, als Ärger und es gibt keinen Verdienst, der so stark ist wie Geduld.“
Das Gelassenheitsgebet
Ein anderes, sehr schönes Beispiel für das Entwickeln von Geduld ist das Gelassenheitsgebet.
„Gib mir die Geduld, die Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann. Gib mir den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Und die Weisheit, dass eine vom anderen zu unterscheiden.“
Zu Gelassenheit gibt es eine sehr schöne Geschichte von Acharn Chah. Acharn Chah war ein sehr berühmter buddhistischer Lehrer in Thailand. Er war der Lehrer von vielen westlichen Mönchen, die heutzutage in vielen Ländern dieser Erde unterrichten.
Als Kind bekam Acharn Chah von seinem Vater eine Handvoll Samen geschenkt. Er war sehr aufgeregt, seine ersten Samen anzupflanzen. Er steckte sie in die Erde und bewässerte sie einmal am Tag. Aber sie wuchsen nicht. Also ging er zu seinem Vater, der sagte, er müsse Geduld haben. Acharn Chah beschloss, die Samen zweimal am Tag zu wässern und bald wuchsen winzige, grüne Sprossen aus der Erde. Jetzt wurde er noch aufgeregter und bewässerte sie sogar dreimal am Tag. Aber sie wuchsen nicht schnell genug, also beschloss er, ein wenig an ihnen zu ziehen, damit sie schneller wachsen würden und letztendlich zerstörte er mit seiner Ungeduld alle Pflanzen.
Es ist wichtig den Dingen zu erlauben, sich natürlich zu entfalten. Auch in der Meditationspraxis bzw. in der Entwicklung unseres Geistes. Auch hier braucht es Geduld. Es ist gut, auf dem Weg zu sein. Das ist alles. Darum geht es. Nicht darum, einem Ziel nachzujagen, dass irgendwo in der Zukunft liegt.
Wenn man solchen Gedanken nachhängt, ist das immer leidhaft, weil man dort noch nicht angekommen ist und darüber vergisst, gegenwärtig zu sein.
Geduld und die acht weltlichen Dhammas
Die acht Dhammas, die wir ständig in unserem Leben erfahren sind: Gewinn und Verlust, Ruhm und Verachtung, Lob und Tadel, Glück und Leid.
Auch hier ist Geduld eine ganz wichtige Sache. Das man akzeptiert, wie diese Dinge in unserem Leben auftauchen. Man kann sowieso davon ausgehen, dass sie sich verändern. Wozu sich also von diesen acht weltlichen Dhammas aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.