Sacca Parami oder die Vollkommenheit der Wahrhaftigkeit ist die siebte der zehn buddhistischen Vollkommenheiten. Die Vollkommenheit der Wahrhaftigkeit folgt auf die Vollkommenheit der Geduld (khanti). Geduld ist wesentlich, um das Fundament der Wahrhaftigkeit zu errichten. All die Paramis sind dazu da, den Geist zu entwickeln und das Sacca-Parami ist dabei besonders wichtig.

Es wird gesagt, dass ein Bodhisattva alle Paramis irgendwann schon einmal gebrochen hat, außer Sacca-Parami.

Bei Sacca geht es nicht nur darum, nicht zu lügen. Das ist es, was wir sonst unter Wahrhaftigkeit verstehen. Die Regel nicht zu lügen, gibt es in allen Religionen, die Bedeutung von Wahrhaftigkeit im Buddhismus geht aber weit darüber hinaus.

Anfangs versucht man natürlich, nicht unwahr zu sprechen, doch je mehr man praktiziert umso mehr wird ein tieferes Verständnis über die Vier Edlen Wahrheiten entstehen. Es geht also um das Verstehen der absoluten Wahrheit, im Gegensatz zu weltlicher Wahrheit.

Die fünf Aspekte der Wahrhaftigkeit

Der erste Aspekt von Sacca ist die Wahrhaftigkeit in Bezug auf die eigenen Verantwortlichkeiten. So sollten wir unsere Pflichten als Vater und Mutter kennen, wenn wir Eltern sind. Doch auch die Pflichten als Ehemann und Ehefrau und die Pflichten der Kinder den Eltern gegenüber. Alle sollten nach angemessenen Grundsätzen handeln. Welche Verantwortung man auch immer hat, man erfüllt sie vollständig und angemessen.

Der zweite Aspekt der Wahrhaftigkeit wäre in Bezug auf unsere Arbeit. Hier bedeutet Sacca, dass wir die Entschlossenheit haben, unsere Arbeit, trotz Hindernisse, vollständig und so gut wie möglich zu verrichten.

Der dritte Aspekt der Wahrhaftigkeit steht im Bezug zur Sprache. Man sollte versuchen, nicht die Unwahrheit zu sprechen, nicht zu lügen und dass, was man sagt, auch wirklich zu tun. Ideal ist, wenn unsere Sprache im Einklang mit unserem Herzen steht.

Der vierte Aspekt wäre Wahrhaftigkeit in Bezug auf Menschen. Hier geht es darum, dass wir versuchen, mit den Menschen, mit denen wir gerade in Verbindung stehen, nicht heuchlerisch umgehen. Jedem Menschen, mit dem man verbunden ist, sollte man ein wahrer Freund sein, auch wenn es Menschen sind, die man nicht als Freunde bezeichnen würde. Dennoch versucht man mit einer positiven, inneren Herzenseinstellung zu handeln oder sprechen, dass Harmonie und nicht Disharmonie entsteht. Dies sollte man unabhängig von den eigenen Umständen tun, also unabhängig davon, ob man selbst gerade glücklich oder unglücklich ist.

Der fünfte Aspekt ist Wahrhaftigkeit in Bezug auf Güte. Man ist fest entschlossen, Gutes zu tun. Dies bedeutet auch, dass man auf dem guten Weg bleibt, auch wenn es manchmal einfacher wäre, einen anderen Weg zu gehen. Das man fest entschlossen ist, Gutes zu tun, egal, ob es gesehen wird oder nicht.

Weltliche und absolute Wahrheit

Buddha lehrte zwei Arten von Wahrheit, die weltliche und absolute Wahrheit. Die weltliche Wahrheit stimmt mit dem überein, was wir gewöhnlich benennen. Dies ist ein „Mensch“, ein „Mann“, eine „Frau“ und all die anderen Dinge und Formen und Farben, die wir in dieser Welt finden. Weltliche Wahrheit hängt immer davon ab, wie wir die Welt wahrnehmen, was wir als gut oder schlecht empfinden.

Das, was in seinem ultimativen Sinn existiert, nicht nur dadurch, dass es von Menschen benannt und zugeordnet wird, ist absolute Wahrheit. Die absolute Wahrheit ist unabhängig von Wahrnehmung. Sie entspringt der Weisheit, entsteht durch Einsicht. Zum Beispiel ist das Ding, das hier gerade sitzt und das Hitze und Kälte erfährt, Materie bzw. Körper (rupa). Das was weiß, dass da Wärme ist, dass da Kälte ist, dass da Schmerzen sind oder dass da diese Position von Sitzen ist, dass ist Geist (nama).

Es gilt zu erkennen, dass es da Körper und Geist gibt, also eine höhere Einsicht, eine höhere Wahrheit, eine absolute Wahrheit. Veränderung (anicca), Nicht-Selbst (anatta) und Leiden (dukkha) sind die ultimative Wahrheit. Nibbana, dass wirkliche Verlöschen von allem Leid, ist auch absolute Wahrheit.

Unter weltliche Wahrheit fällt auch die Wissenschaft. Aber mit weltlicher Wahrheit können wir nicht das Leiden überkommen. Die Vier Edlen Wahrheiten sind die Wahrheit, um Leiden zu überwinden.

Sacca in den Vier Edlen Wahrheiten

Die vier Edlen Wahrheiten sind die Erkenntnis, dass wir von Unzufriedenheit, Angst und Leiden befreit werden können, indem wir die Wahrheit über uns selbst und unser Leben erkennen. Die Rechte Rede, die ein Teil des Edlen Achtfachen Pfades ist, beinhaltet Wahrhaftigkeit, und sie lehrt uns auch, unsere Sprache zu verwenden, um Harmonie statt Disharmonie zu fördern.

Wir dürfen auch in unserer Rede nicht egoistisch sein, indem wir andere herabsetzen, um selbst besser dazustehen. Rechte Rede und die Vollkommenheit der Wahrhaftigkeit sind offensichtlich eng miteinander verbunden. Und ohne ein Fundament von Wahrhaftigkeit können die anderen Teile des Edlen Achtfachen Pfades leicht zusammenbrechen.

Worauf wir achten sollten, wenn es um die Wahrheit in unserem Leben geht

Wir sollten versuchen, ob die Dinge, die wir gerade aussprechen zum einen wahr sind und zum anderen, ob sie auch nützlich sind. Wenn also etwas war ist, es aber nichts zum Positiven verändert, wird es besser sein, es nicht auszusprechen.

Auf der anderen Seite ist es manchmal nötig, eine unangenehme Wahrheit auszusprechen, wenn man erkennt, dass das Aussprechen der Wahrheit zum Wohle der anderen Person führt. Doch man sollte immer darauf achten, dass man es zu einer Zeit sagt und unter den angemessenen Umständen. Man sollte auch darauf achten, es in einer Weise zu sagen, die nicht verletzend ist

Schaue immer in dein Herz, wenn du etwas sagst. Warum sage ich das jetzt? Was ist meine Intention, meine Motivation? Nicht das ich mit der Absicht spreche, mir einen Vorteil zu verschaffen oder in einem besseren Licht dazustehen. Solche Art von Sprache ist sehr unheilsam und man sollte dies vermeiden. Auch sollte man nicht aus Böswilligkeit oder Grausamkeit sprechen.

Nekkhamma und Sacca

Es ist deshalb auch förderlich, eine Einstellung von Entsagung (nekkhamma) im Geist zu haben. Dann kann die Art von Sprache, durch die man sich einen Vorteil erwirken will, nicht passieren. Das ist etwas, was heute sehr oft in der Politik oder der Werbung missbraucht wird. Oft wird dabei nur ein Teil der Wahrheit herangezogen und dann so dargestellt, als wäre es die ganze Wahrheit. Meist wird dabei auch nicht die geringste Scham empfunden, die Unwahrheit darzustellen.

Wie perfektioniert man Ehrlichkeit?

Die meisten Lehrer werden sagen, dass die wesentliche Praxis die rechte Achtsamkeit ist. Achtsamkeit bedeutet, sich des gegenwärtigen Moments voll bewusst zu sein, ohne zu urteilen und ohne konzeptionelle Filter. Man könnte es eine Praxis der Ehrlichkeit des gegenwärtigen Augenblicks nennen.

Die Vollkommenheit der Wahrhaftigkeit beginnt mit Selbstehrlichkeit und dem Zurücklegen selbstsüchtiger Anliegen und setzt sich fort mit der Praxis, Ehrlichkeit zum Wohle anderer zu manifestieren. Dabei ist es gut misstrauisch gegenüber „Fakten“ zu sein, die zu genau in unser Weltbild passen. Wir sollten offen bleiben für die Erkenntnis, dass unsere Weltanschauung eine Illusion ist, auch wenn es keine Illusion zu sein scheint.

Ehrlichkeit versucht nicht, unser Ego zu schützen, unseren Eigeninteressen zu dienen oder unsere Vorurteile zu bestätigen.

Der Prozess, Wahrhaftigkeit zu entwickeln

Wir beginnen mit dem Versuch, Lügen zu vermeiden. Dann machen wir uns bewusst, was weltliche Wahrheit und absolute Wahrheit ist. Dann setzen wir unseren Weg fort, indem wir immer wieder in Verbindung mit den Vier Edlen Wahrheiten reflektieren.

Wenn ihr jemals an einem intensiven Meditationsretreat teilgenommen habt, dann habt ihr Zeit in Stille verbracht. Dies ist der beste Weg, Wahrhaftigkeit zu üben. In einem solchen Retreat wird nicht viel gesprochen. MC Brigitte hat auch Jahre in Retreats in der Stille erlebt. Ihre Erfahrung ist, dass man aufpassen muss, sobald man den Schweige-Retreat verlässt und wieder anfängt zu reden. Man kann fühlen, wie die Energie mit jedem (nutzlosen) gesprochenen Wort schwindet. Während das Sprechen über den Dhamma unsere Energie erhöht.

Jede Art, heilsam zu sprechen, vereinend zu sprechen, über Dinge zu sprechen, die zur Harmonie führen, dem Gegenüber zu helfen, ein besserer Mensch zu sein, all das wird zu einer Angewohnheit.

Paramis sind Angewohnheiten. Und wenn man diese Angewohnheit immer wieder praktiziert, wird es irgendwann unmöglich, die Unwahrheit zu sagen oder auf eine Art und Weise zu sprechen, die zu Schaden führt für andere und einen selbst.