Zusammengestellt von Manfred Wiesberger (Viriya)

Im Khuddaka Nikaya, Khuddaka -Patha VIII, findet sich das Nidhikandha-Suttam. Es heißt ganz zurecht „Der  verborgene Schatz“, denn es kennt kaum jemand und es findet sich sonst nirgends in den Pitakas.

Ein Mann verbirgt einen Schatz in einer sehr tiefen Grube [und denkt:] „Wenn künftig einmal die Notwendigkeit eintritt, wird er mir von Nutzen sein. Wenn ich vom Könige angeklagt oder von einem Diebe ausgeplündert bin, oder zur Ablösung einer Schuld, oder bei Hungersnot und Unglücksfällen.“

Dies sind die Gründe, aus denen man das, was in der Welt ein Schatz genannt wird, verbirgt. Doch mag der Schatz, gleich wie tiefer auch vergraben ist, diesem Manne nicht immer etwas nützen. Er kann verschwinden oder vergessen werden, oder Schlangengeister entfernen ihn, oder Unholde nehmen ihn fort. Oder seine Feinde und Erben heben ihn, wenn er’s nicht sieht; sobald die geistigen Verdienste erschöpft sind, zerrinnt er ihm zwischen den Fingern.

Doch einen wohl verborgenen Schatz gibt es, den Frauen und Männer besitzen und der ihnen nicht genommen werden kann, sondern ihnen in die andere Welt nachfolgt. Der Schatz ist wohl verborgen, der erworben wurde auf Grund ihrer Wohltätigkeit, Selbstzucht und Beherrschung im heiligen Schrein, in der Gemeinde, dem guten Menschen, den Gästen, Mutter und Vater oder dem ältesten Bruder gegenüber.

Wer die vergänglichen Dinge aufgegeben hat, nimmt diesen Schatz, der mit andern nicht geteilt wird, den Diebe nicht stehlen können mit sich wohin er auch geht. Möge der Vorausschauende daher gute Werke tun; dies ist der Schatz, der Göttern und Menschen alles gibt, nachdem sie verlangen. Alles, was sie sich wünschen, wird durch ihn erlangt: Liebreiz, eine klangvolle Stimme, Anmut und schöne Gestalt, Macht und Glanz: alles wird durch ihn erlangt.

Die Herrschaft über ein Land, Königswürde, das angenehme Glück der Weltherrschaft und auch Götterherrschaft unter den Himmlischen: alles wird durch ihn erlangt.

Menschliches Glück, jede Freude in der Götterwelt und das Erreichen von Nibbana, alles wird durch ihn erlangt.

Wissen, Erlösung, Selbstbezähmung, nachdem man, weise lebend, gute Freunde für sich gewonnen hat alles wird durch ihn erlangt.

Die analytischen Kenntnisse, die Befreiungen, die Vollkommenheit der Schülerschaft, die Einzelerwachung und die Buddhaschaft alles wird durch ihn erlangt.

So machtvoll ist dies, die Errungenschaft geistigen Verdienstes. Deshalb preisen die Weisen, die Weitsichtigen den Schatz bereits errungenen Verdienstes.

Besser kann man die Notwendigkeit der Kultivierung der parami und den daraus erwachsenden „Verdienst“ kaum beschreiben. Gleich welche Vorgehensweise man wählt, bzw. welche Qualitäten und Fähigkeiten schon vorhanden sind, das Ende aller Bemühung um die parami  ist immer und in jedem Fall: Arahatta-phala, die Frucht der Heiligkeit.

Der Weg der parami besteht für den der „kleine Brötchen backen“ muß, den, der nur geringe Qualitäten und Fähigkeiten besitzt, darin, das Heilsame jeder Situation zu identifizieren und „auf die Seite zu legen“ um sich so nach und nach ein „wohl verborgenen Schatz“ anzuschaffen. Ajahn Chah sagte einmal: „Was du liebst und was du haßt, das sind deine Helfer und Partner bei der Entwicklung der parami.“

Kamma hat keine Halbwertszeit und daher bleibt uns nichts weiter übrig als viele positive Verhaltensmuster zu schaffen und in uns charakterlich so fest zu verankern, daß die ihnen entsprechenden negativen Erlebensmuster keine Möglichkeit mehr haben zu greifen. Dazu müssen wir verstehen: Jede Erfahrung, jede Situation, ist ein wertvolles Geschenk, denn sie enthält das Potential zum Erwachen.

Um das Heilsame jeder Situation erkennen zu können ist es wichtig ein Gefühl für die parami zu entwickeln, sich mit ihrem jeweiligen Geschmack vertraut zu machen. Ein gutes Beispiel dafür ist sicher sacca-parami. Sagt oder tut man etwas das nicht stimmig ist, ist das innere Empfinden merkbar anders als wenn man mit sich und anderen „im Reinen“ ist. Mit etwas Achtsamkeit kann man den Geschmack der Wahrhaftigkeit deutlich ausmachen. Das ist eine Form „emotionaler Intelligenz“ die wir bei allen parami entwickeln sollten.

Was gebe ich dieser Situation (dana)? Was ist die angemessene Verhaltensweise (sila)? Habe ich das Ziel (Nibbana) vor Augen (nekhamma)? Erfasse ich die Gesetzmäßigkeit dieser Situation (pañña)? Bringe ich den nötigen Einsatz (viriya)? Dulde ich, daß „MIR“ das wiederfährt (khanti)? Bin ich wahrhaftig (sacca)? Bin ich standhaft (aditthana)? Habe ich die richtige Gesinnung (metta)? Habe ich den Überblick (upekkha)?

Wenn wir mittels dieser oder ähnlicher Fragen unser Erleben „abklopfen“ wächst in uns das Bewußtsein für die paramita und für unsere Schwächen und Stärken im Umgang mit ihnen.

Manche mögen den Eindruck bekommen, die paramita seien einfach noch eine weitere lange Liste von Dingen die kultiviert werden müßten und man könnte sich eines herausgreifen, so wie das auch gerne mit anderen Listen der buddhistischen Tradition versucht wird. Buddha hat das den Jatakas zufolge in einigen der 500 Leben die er zur Vervollkommnung der paramita nutzte auch getan. Theoretisch könnte man sich also „spezialisieren“, praktisch jedoch wirken die parami ebenso harmonisch ausgewogen zusammen wie die indriya, die bojjhanga, die satipatthana oder die Pfadfaktoren. Alle kommen in einer gegebenen Situation zum Tragen auch wenn eines oder das andere dominieren wird.

Ohne parami sind wir zweibeinige Zeitbomben, immer bereit zu explodieren. Der Weg um diese zu entschärfen kann nur mit ihrer Hilfe beschritten werden. Nur mit Hilfe der einander stützenden parami kann ich jetzt der beste Mensch sein der zu sein mir im Moment möglich ist. Es geht nicht um heroische Phantasietaten, die ich irgendwann in der fernen Zukunft vollbringen werde sondern um das was ich gegenwärtig tue. Schwelge ich einerseits in Emotionen, triefe vor Mitgefühl und lächle fortwährend verkrampft, stehe ich aber andererseits in Konflikt mit meiner Umgebung und bin erfüllt von inneren Spannungen und unterdrückten Aggressionen – dann liegt offensichtlich noch ein Ungleichgewicht vor, das wunderschön durch das Gleichnis des Bambusakrobaten beschieben wird.

S 47, 19: „Einstmals, ihr Mönche, gab es einen Bambusakrobaten. Der richtete den Bambus auf und sprach zu seiner Gehilfin Medakathalika: „Komm, liebe Medakathalika, erklimme den Bambus und stelle dich auf meine Schultern.“ „Ja, Meister“, erwiderte die Gehilfin, erklomm den Bambus und stellte sich auf die Schultern des Meisters.

Da sprach, ihr Mönche, der Bambusakrobat zu seiner Gehilfin: „Du, liebe Methakathalika, paß auf mich auf, und ich werde auf dich aufpassen. Wenn so jeweils einer den anderen beschützt, einer auf den anderen achtet, dann werden wir unsere Kunst zeigen, etwas verdienen und wohlbehalten vom Bambus heruntersteigen.“

Auf diese Worte erwiderte Medakathalika,  dem Meister:

„So wird nichts daraus, Meister! Paß du dich selber auf, Meister, und ich werde auf mich aufpassen. So werden wir, wenn jeder sich selber beschützt, jeder auf sich selber achtet, unsere Kunst zeigen, etwas verdienen und wohlbehalten vom Bambus heruntersteigen.“

… Sich selbst schützend, ihr Mönche, schützt man die anderen. Die anderen schützend, schützt man sich selbst.

Und wie, ihr Mönche, schützt man, auf sich selber achtend, auf den anderen? Durch Pflege, durch Entfaltung, durch häufiges Tun. So, ihr Mönche, schützt man, auf sich selber achtend, auf den anderen. Und wie, ihr Mönche, schützt man, auf den anderen achtend, sich selbst? Durch Geduld, durch Gewaltlosigkeit, durch Liebe, durch Teilnahme. So, ihr Mönche, schützt man, auf den anderen achtend, sich selbst.

So ist es schon aus reinem Selbstschutz nötig sich charakterlich umzuformen. Die „Anderen“ sind dabei gleichermaßen Lehrer, Spiegel und Übungsobjekte an denen sich unser Handeln ausrichtet. Wir sind mit ihnen auf´s Engste verbunden, „Nicht ist, ihr Bhikkhus, ein Wesen zu finden, das nicht früher einmal Mutter – Vater – Bruder – Schwester – Sohn – Tochter gewesen wäre während dieser langen Zeit.“ und sind ihnen aufgrund dessen mit einer Dankesschuld verpflichtet, die wir uns viel zu selten vor Augen führen. Allein, auf sich gestellt, ohne die Gemeinschaft, die „Anderen“ also, wäre der Mensch als soziales Wesen nicht überlebensfähig. So könnte man Dankbarkeit durchaus als elftes parami gewertet werden und stellt eine weitere Motivationshilfe dar um sich dem Nächsten gegenüber hilfreich zu verhalten.

„Ein Bodhisattva hilft den Wesen auf dreifache Weise: Durch seine Gedanken, seine Worte und seine Handlungen. Zu den helfenden und reinigenden Gedanken zählen die Öffnung von Geist und Herz für andere, die Übung der Gleichsetzung von sich selbst und anderen und all sie vielen bewährten geistigen Übungen zur Entfaltung von liebender Güte und Mitgefühl. Was die Rede betrifft, so hilft der Bodhisattva anderen Wesen durch Worte der Ermutigung und des Trostes, durch achtsame und heilsame Rede getragen von Zuhören und Verständnis. Der Weg des Bodhisattva-Handelns schließlich ist der Weg tätiger Liebe. Das Handeln zum Wohle aller Menschen ist vielgestaltig und unermeßlich. Wir leben in einer Welt grenzenlosen Leids und Unrechts. Nur wer sich vom Leid der anderen wirklich berühren läßt, der kann aus echtem Mitgefühl und frei von ichbezogenen Motiven handeln, denn wer seines Ich nicht gedenkt, ist frei von Verhaftungen und kann sich so wirklich engagieren im Dienste anderer. … Diese Motivation muß sich auch in einem Handeln niederschlagen, welches der Komplexität und Vielschichtigkeit der modernen Lebenswelt Rechnung trägt. … Bodhisattva-Handeln steht darum heute für ein Handeln in globaler, ökologischer und sozialer Verantwortlichkeit“

A IV.95 – 99: „Vier Menschen, ihr Mönche, sind in der Welt anzutreffen. Welche vier?

Einer, der weder zum eigenen Heile wirkt, noch zum Heile der anderen; einer, der zum Heile der anderen wirkt, nicht zum eigenen Heile; einer, der zum eigenen Heile wirkt, nicht zum Heile der anderen; einer, der sowohl zum eigenen Heile wirkt, als auch zum Heile der anderen.

Gleichwie, ihr Mönche, ein Holzscheit von einem Leichenfeuer, das an beiden Enden glüht und in der Mitte mit Kot beschmiert ist, weder im Dorfe noch im Wald als Nutzholz dienen kann, ebenso, sage ich, ihr Mönche, ist jener Mensch, der weder zum eigenen Heile wirkt, noch zum Heile der anderen.

Da aber ist der Mensch, der zum Heile der anderen wirkt, nicht zum eigenen Heile, unter diesen beiden Menschen der höhere, der bessere.

Und da ist der Mensch, der zum eigenen Heile wirkt, nicht zum Heile der anderen, unter diesen drei Menschen der höhere, der bessere.

Und da ist der Mensch, der sowohl zum eigenen Heile wirkt als auch zum Heile der anderen, unter diesen vier Menschen der höchste, der beste, der würdigste, der größte, der erhabenste.

Gleichwie nämlich, ihr Mönche, von der Kuh die Milch kommt, von der Milch der Rahm, vom Rahm die Butter, von der Butter das Butteröl, vom Butteröl der Butterschaum, und der Butterschaum da als das Beste gilt – ebenso auch, ihr Mönche, ist derjenige Mensch, der sowohl zum eigenen Heile wirkt als auch zum Heile der anderen, unter diesen vier Menschen der höchste, der beste, der würdigste, der größte, der erhabenste.

Wie aber, ihr Mönche, wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen? Da strebt ein Mensch danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, aber er spornt die anderen nicht zur Überwindung von Gier, Haß und Verblendung an.

Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile? Da strebt ein Mensch nicht danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, aber er spornt die anderen dazu an.

Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile noch zum Heile der anderen? Da strebt ein Mensch nicht danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, und er spornt auch die anderen nicht dazu an.

Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen? Da strebt ein Mensch danach, selber Gier, Haß und Verblendung zu überwinden, und er spornt auch die anderen dazu an.

Wie aber, ihr Mönche, wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen? Da besitzt einer eine schnelle Auffassungsgabe bei den heilsamen Lehren. Die vernommenen Lehren prägt er sich leicht ein. Den Sinn der so behaltenen Lehren erforscht er, und, ihren Sinn und Wortlaut kennend, folgt er dem rechten Pfade der Lehre. Doch er ist kein guter Sprecher, kein guter Redner. Seine Rede ist nicht gefällig und fließend, nicht fehlerlos in der Aussprache und nicht verständlich im Sinn. Er ist kein Unterweiser, Ermahner, Ermutiger und Erheiterer seiner Ordensbrüder. So wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile? Da besitzt einer keine schnelle Auffassungsgabe in den heilsamen Lehren. Die vernommenen Lehren prägt er sich nicht leicht ein. Den Sinn der behaltenen Lehren erforscht er nicht, und, ihren Sinn und Wortlaut nicht kennend, folgt er nicht dem rechten Pfade der Lehre. Doch er ist ein guter Sprecher, ein guter Redner. Seine Rede ist gefällig und fließend, fehlerlos in der Aussprache und verständlich im Sinn. Er ist ein Unterweiser, Ermahner, Ermutiger und Erheiterer seiner Ordensbrüder. So wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile.

Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen? Da besitzt einer keine schnelle Auffassungsgabe … Und er ist auch kein guter Sprecher … So wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen? Da besitzt einer schnelle Auffassungsgabe in den heilsamen Lehren … Und er ist auch ein guter Sprecher, ein guter Redner … So wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile als auch zum Heile der anderen.

Wie aber, ihr Mönche, wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen? Da enthält sich einer selber von der Verletzung lebender Wesen, vom Nehmen fremden Gutes, von unrechtem Geschlechtsverkehr, von der Lüge und vom Genuß berauschender Getränke, aber er spornt andere nicht dazu an, sich davon zu enthalten. So wirkt ein Mensch zum eigenen Heile, nicht zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile? Da enthält sich einer nicht selber von der Verletzung lebender Wesen, vom Nehmen fremden Gutes, von unrechtem Geschlechtsverkehr, von der Lüge und vom Genuß berauschender Getränke, aber er spornt andere dazu an, sich davon zu enthalten. So wirkt ein Mensch zum Heile der anderen, nicht zum eigenen Heile.

Wie aber wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen? Da enthält sich einer nicht selber von der Verletzung lebender Wesen, vom Nehmen fremden Gutes, von unrechtem Geschlechtsverkehr, von der Lüge und vom Genuß berauschender Getränke, und er spornt auch nicht andere dazu an, sich dessen zu enthalten. So wirkt ein Mensch weder zum eigenen Heile, noch zum Heile der anderen.

Wie aber wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen? Da enthält sich einer selber von der Verletzung lebender Wesen . . . und vom Genuß berauschender Getränke, und er spornt auch andere dazu an, sich dessen zu enthalten. So wirkt ein Mensch sowohl zum eigenen Heile, als auch zum Heile der anderen.

Diese vier Menschen sind in der Welt anzutreffen.

Wie wäre es, wenn wir unterschiedslos, jedem geben könnten ohne eine Gegenleistung zu erwarten, wenn wir in jeder Situation unsere Pflicht freudig und angemessen erfüllen könnten, wenn wir frei wären von der Versklavung durch die Sinnesfreuden, wenn die zur Befreiung nötige Intelligenz und Weisheit immer in uns gegenwärtig wäre, wenn wir die Kraft aufbrächten zu ändern was zu ändern ist und die Geduld zu ertragen was nicht zu ändern ist, wenn wir wahrhaftig sein könnten statt zu verdrängen, zu verleugnen und zu heucheln, wenn der Wille zum Erwachen durchgehend in uns vorhanden wäre, wenn wir das Wohl anderer vor unser eigenes stellen könnten, wenn wir unerschütterlich unseren Weg gehen könnten? Wie wäre es so zu sein? Wäre das erstrebenswert? Wären wir bereit dieses Ziel charakterlicher Entwicklung zur Grundlage unserer Lebensplanung zu machen?  

Hat man die parami als sinnvolle Eckpunkte oder Referenzrahmen für sein Leben anerkannt, wird sich die Entwicklung vom „heillosen“ zum „heilsamen“ bei jedem ernsthaft Suchenden allmählich in der ihm entsprechenden Gangart vollziehen. Dazu bedarf es natürlich der Bereitschaft, freiwillig Unangenehmes in das eigene Bewußtsein einzulassen. Khanti (geduldiges Ertragen) ist dafür ein gutes Beispiel, denn wie soll man echte Geduld entwickeln, wenn man nicht bereit ist Unangenehmes einfach einmal da sein zu lassen, es auszuhalten? Während sich so anfänglich leere Worthülsen nach und nach mit Bedeutung füllen lernt der Geist sich zunehmend in dem von ihm selbst gesetzten Rahmen zu bewegen. Er zieht sich von gegensätzlichen Verhaltensmustern zurück und fällt immer seltener in alte Gewohnheitsfurchen. War diese Entwicklung anfänglich noch von einem Gefühl „Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach“ begleitet gleicht sich das Konfliktpotential immer mehr aus und weicht schließlich tiefer Entspannung und einem „Ruhen in sich selbst“. So entsteht Sammlung und auch Einsicht auf natürliche Weise.

Wie Buddhadasa Bhikkhu schreibt: „Etwas Gutes und Heilsames (kusala) zu tun oder großzügig zu geben (dana), die grundlegendsten Arten, um spirituellen Verdienst zu erlangen, sind Quellen der Freude. Ein makellos tugendhaftes Verhalten im Sprechen und Handeln steigert diese Freude noch. In den frühen Stufen der Sammlung entde­cken wir dann eine noch höhere und reinere Art der Freude. Freude führt ganz natürlich zu geistiger Beruhigung und Entspan­nung. Normalerweise ist der Geist ungezügelt und wird fort­während durch alle möglichen Gedanken und Gefühle im Zu­sammenhang mit der Außenwelt bewegt. Er ist rastlos und unruhig. Sowie sich aber die spirituelle Freude einstellt, nimmt die Ruhe und Stabilität des Geistes zu. Ist die Stabilität vollkommen, befindet sich der Geist im Zustand völliger Sammlung. Er wird ruhig und stabil, flexibel und lenkbar, leicht und ungezwungen, bereit, zur Beseitigung der geistigen Unreinheiten eingesetzt zu werden. Er ist völlig klar, ruhig und gezügelt. In anderen Worten, be­reit für die Arbeit, bereit zu wissen!

Die Entwicklung der Einsicht auf natürliche Weise kann jedoch unter allen Bedingungen und zu jeder Zeit praktiziert werden. Wir müssen nur unser tägliches Leben so sauber und ehrlich gestalten, daß nacheinander spirituelle Freude (piti und pamojja), Beruhigung und Entspannung (pasaddhi), Ein­sicht in die wahre Natur der Dinge (yathābhūta-ñānadassana), Ernüchterung (nibbida), Entsüchtung (viraga), Entkommen (vimutti), Befreiung von den geistigen Unreinheiten (vi­suddhi) und Friede (santi), die Kühle Nibba­nas, entstehen. So werden wir zunehmend den Geschmack von Nibbana erfahren – stetig, natürlich, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr kommen wir so schrittweise Nibbana immer näher und näher.“

Kommen wir zum Abschluß noch einmal auf die im Eingangskapitel erwähnte Aussage von Helmuth Hecker zurück in der er darauf hinweist, daß der Buddha nirgends gesagt hat, daß jeder Nachfolger diese parami in Vollkommenheit erreichen müßte, wohingegen die indriya und die bojjhanga soweit entwickelt werden müssen, daß die Triebversiegung ermöglicht wird. 

Betrachten wir nun die indriya und die bojjhanga im Lichte der vorangegangenen Kapitel:

indriya (Heilsfähigkeiten): Saddha ist ebenso wie pañña Voraussetzung und Ergebnis der Entwicklung aller parami, denn ohne Vertrauen in die eigene Fähigkeit sich weiterzuentwickeln und das nötige Wissen wie das zu tun ist können wir den Zugang zum Weg der parami nicht finden. Samadhi entwickelt sich zwangsläufig aufgrund vorhandener parami  und verleiht diesen wiederum Kraft und Stabilität. Sati schließlich, muß ebenso wie viriya bei allen bewußt entwickelten Fähigkeiten vorhanden sein und verstärkt sich durch seine Anwendung.

Gleiches gilt für die 7 bojjhanga (Erwachensfaktoren satidhammavicayaviriyapitipassaddhisamadhiupekkha), wobei die Lehrergründung (dhammavicaya) den Weisheitsaspekt darstellt und p¯tipassaddhisamadhi und upekkha allein schon als Lohn und Segen der Sittlichkeit (s¯laparami) gewertet werden können.

Auch auf die acht Glieder des edlen Pfades Lassen sich die parami unschwer verteilen: Rechte Ansicht/Gesinnung: Paññaparamimettaparami – Rechte Lebensführung (rechte Rede, rechtes Tun, rechter Lebenserwerb): Danaparamisilaparamiaditthanaparamikhanti parami – Rechte Anstrengung: Viriya-parami – Rechte Achtsamkeit: Alle parami – Rechte Sammlung: Silaparaminekhamma-paramimettaparamiupekkhaparami.

So gesehen ist es für die Triebversiegung durchaus von Nöten die Kultivierung der parami zumindest soweit voranzutreiben, daß sie die Entwicklung der Heilsfähigkeiten und Erwachensfaktoren ermöglichen und unterstützen.

Der Weg der parami ist also gerade für Laien ein durchaus praktikabler und gangbarer Weg der in der Welt und durch die Welt zum Heil verläuft. Er ist langfristig angelegt im Gegensatz zu dem des Ordinierten, der sich nach Kräften bemüht Nibbana schon in diesem Leben zu erreichen. Dieser Weg ist wahres bhavana, die Kultivierung des Charakters von der Vorbereitung des Bodens bis hin zur letztendlichen Frucht der Übung. Er ist nicht für „Schwachsinnige“ geeignet die ihr „eigenes Maß nicht kennen“.

Der große Shantideva sagt im Bodhicariyavatara (Erwachungswandel): „Wenn einer wie ich, der noch nicht befreit ist von den Leidenschaften es unternehmen wollte, all die Wesen in den zehn Himmelsrichtungen zu befreien, dann würde ich mein eigenes Maß nicht kennen und wie ein Schwachsinniger reden. Daher will ich ohne umzukehren unablässig die Leidenschaften bekämpfen.“ Auf diese Weise wird man zu einem „großen Menschen“ (mahapuriso). So tat es der Erhabene und ihm wollen wir darin nachfolgen.

D 30: „Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete in früherem Leben, früherem Dasein, oder früherem Aufenthaltsort, als Mensch geboren, feste Grundsätze gefaßt hatte bei heilsamen Dingen, fest entschlossen beharrt hatte im guten Wandel in Werken, guten Wandel in Worten, guten Wandel in Gedanken, beim Verspenden von Gaben, bei der Selbstzügelung, beim Einhalten der Fasttage, in der Achtung vor Vater und Mutter, vor Asketen und Priestern, vor den Dorfältesten, bei solchen und anderen heilsamen Taten – weil er solches kamma gewirkt, gepflegt, vermehrt und vergrößert hatte, war er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, in einen glücklichen Zustand, in himmlische Welt emporgelangt. 

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … Vielen hilfreich beigestanden, ihren Schrecken und ihre Furcht beschwichtigt hatte, ihnen Schutz und Obdach angedeihen ließ, sie mit den Notwendigkeiten versorgte …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … Lebendiges umzubringen verworfen hatte, Lebendiges umzubringen ihm ferne lag, und er ohne Stock, ohne Schwert, einfühlsam, voll Mitgefühl, freundlich zu allen lebenden Wesen Sympathie empfunden hatte …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … Spenden gegeben hatte von erlesenen Gerichten an fester und flüssiger Speise, an schmackhaften Getränken …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … durch die vier Grundlagen der Sympathie, Großzügigkeit, freundliche Worte, nutzbringende Lebensweise und Gemeinschaftssinn, sich die Wesen ihm wohlgesonnen gemacht hatte …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … sinngemäß, wahrheitgemäß gesprochen hatte, als Fürsprecher für das Volk, allem was da lebt ein Wohl- und Freudenbringer, ein Verbreiter des Dhamma …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … ein Meister seines Fachs wurde, in einem Handwerk, einer Wissenschaft oder in einer Kunst, in einem Lebenswandel oder in einer Handlungsweise im Gedanken: „Was kann ich leicht begreifen, mir aneignen und ausüben ohne daß ich mich lange plagen muß“ …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … einen Asketen oder Priester wohl aufsuchte und befragte: „Was, Herr, ist heilsam, und was unheilsam, was ist tadelnswert, und was nicht, was ist zu pflegen, und was nicht, was kann mir, indem ich es betreibe, lange zu Unheil und Schaden gereichen, und was kann mir wiederum, indem ich es betreibe, lange zu Heil und Wohl gereichen?“…

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … sich nicht geärgert hatte, nicht klagen und seufzen mochte, auch bei so mancher Schmähung sich nicht hinreißen ließ, nicht zornig wurde, nicht gehässig, nicht feindselig, keinen Zorn oder Haß und Verdrossenheit an den Tag legte, aber Gaben auszuteilen liebte, fein gewebte schmiegsame Decken und Gewänder, aus feinem Linnen, aus feiner Wolle, aus feiner Seide, aus feinen Tuch

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … lange schon getrennte, längst auseinandergekommene Verwandte und Freunde, Genossen und Sippen wieder vereinte, die Mutter mit dem Sohne, den Sohn mit der Mutter, den Vater mit dem Sohne, den Sohn mit dem Vater, Bruder mit Bruder, Bruder mit Schwester, Schwester mit Bruder versöhnte, und Frieden stiftete zur Freude aller …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … das Wohl der Menschen im Sinn hatte und die Natur und die Bedürfnisse jedes einzelnen erkennend sie zu unterscheiden wußte: “Dem steht dies zu, dem steht das zu“ …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … das Wohl der Vielen im Sinn hatte, ihren Vorteil, ihr Wohlergehen, ihre Freiheit von Unterjochung im Gedanken: „Mögen sie wachsen in Vertrauen, Tugend, Wissen, Weltabwendung, im Dhamma und in Weisheit; Geld und Gut soll ihnen zukommen, sie sollen Grund und Boden erwerben, Menschen und Vieh ernähren, Weib und Kind versorgen, Knecht- und Dienergesinde erhalten, Verwandte, Freunde und Gefährten gewinnen“ …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … keinerlei Wesen verletzen mochte, weder mit der Hand noch mit einem Stein, einem Stock noch mit einem Schwert …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … sich nicht angewöhnt hatte Menschen gegenüber mißtrauisch zu sein, sie schief anzusehen oder Heimlichkeiten vor ihnen zu haben, sondern direkt, offen und geradeheraus sich ihnen freundlich zuwandte …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … herausragte in tauglicher Begegnung ein Führer und Vorbild im gutem Wandel in Werken, Worten, und Gedanken, in Großzügigkeit, in Tugendhaftigkeit, im Einhalten der Fasttage, in der Achtung vor Vater und Mutter, vor Asketen und Priestern, vor den Dorfältesten, und bei anderen geschickten Verhaltensweisen …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … falsche Rede verworfen, von Lügen sich ferngehalten hatte, die Wahrheit sprechend, der Wahrheit ergeben, standhaft, vertrauenswürdig, kein Heuchler und Schmeichler der Welt gewesen war …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … das Hintertragen verworfen, vom Hintertragen sich ferngehalten hatte, was er hier gehört dort nicht wiedererzählen mochte um jene zu entzweien, und was er dort gehört hier nicht wiedererzählen mochte um diese zu entzweien, weil er also Entzweite geeinigt, Verbundene gefestigt, weil ihn Eintracht froh gemacht, Eintracht erfreut, Eintracht beglückt hatte, und ihm Eintracht fördernde Worte geläufig waren…

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … barsche Worte verworfen, von barschen Worten sich ferngehalten hatte, Worte wählend, die frei von Schimpf sind, dem Ohre wohltun, liebreich klingen zum Herzen dringen, höflich, viele erfreuend, viele erhebend, eine derartige Rede zu führen pflegte …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … Plappern und Plaudern verworfen, von Plappern und Plaudern sich ferngehalten hatte, und er wohl darauf achtete wann zu reden und wie zu reden sei, wahr zu reden, echt zu reden, recht zu reden, schicklich zu reden, und seine Worte reich an Inhalt waren, gelegentlich mit Gleichnissen geschmückt, klar und bestimmt, ihrem Gegenstande angemessen …

… Weil eben, ihr Mönche, der Vollendete … einen unrechten Lebenserwerb abgelehnt, durch rechten Erwerb das Leben sich erhalten hatte, ohne falsches Maß und Gewicht anzuwenden, fern von den schiefen Wegen der Bestechung, Täuschung, Niedertracht, von Raufereien, Schlägereien, Händeln, zum Rauben, Plündern und Zwingen nicht zu verleiten war – weil er solches kamma gewirkt, gepflegt, vermehrt und vergrößert hatte, war er bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, in einen glücklichen Zustand, in himmlische Welt emporgelangt.

Puñña: Verdienst, Wert; das innere Wohl das aus kammisch heilsamen Handlungen entsteht und es uns ermöglicht heilsame Verhaltensmuster zu schaffen die mit entsprechenden Erlebensmustern ineinandergreifen.

Asanga unterscheidet: Die Vorgehensweise der Schülerschaft (sravakayanika), die Vorgehensweise der Einzelerwachung (pratyeka-buddha-yanika) und den mahayanika, der aufgrund seiner am stärksten entwickelten Fähigkeiten die „Große Vorgehensweise“ nutzt um den höchsten bodhicitta zu erzeugen und das vollkommene und vollständige Erwachen (samyaksambodhi) zu verwirklichen.

S 15, 14-19.

Franz-Johannes Litsch; Lotusblätter 2/98.

Itiv. 75: „Der Mensch, der allen etwas gibt,

der aller Wesen nimmt sich an,

der läßt voll Freude streuen aus,

und „Gebet, gebet“ ruft er aus.

Wie Wolke donnernd strömt herab

und Regen allenthalben gibt

und Berg und Tal mit Naß erquickt:

so ist hienieden solch ein Mann.“

„Buddhismus verstehen und leben – ein Handbuch für die Menschheit“  von Buddhadasa Bhikkhu. Herausgeberin: Buddhistische Gesellschaft München e.V., 2006

„Reuelosigkeit, Ananda, ist der Segen und Lohn der heilsamen Sitten.“ „Was aber, Herr, ist der Segen und Lohn der Reuelosigkeit?“ „Freude, Ananda.“ „Und was, Herr, ist der Segen und Lohn der Freude?“ „Verzückung, Ananda.“ „Und der Verzückung, Herr?“ „Gestilltheit, Ananda.“ “Und der Gestilltheit, Herr?“ „Glücksgefühl, Ananda.“ „Und des Glücksgefühls, Herr?“ „Geistessammlung, Ananda.“ „Und der Geistessammlung, Herr?“ „Wirklichkeitsgemäßer Erkenntnisblick, Ananda.“ „Und des wirklichkeitsgemäßen Erkenntnisblickes, Herr?“ „Abwendung und Entsüchtung, Ananda.“ „Und was, Herr, ist der Segen und Lohn von Abwendung und Entsüchtung?“ „Der Erkenntnisblick der Erlösung, Ananda…. So also, Ananda, führen die heilsamen Sitten nach und nach zum Höchsten.“

Der mahapuriso zeichnet sich nach seiner Rückkehr aus „himmlischer Welt“ durch verschiedene körperliche Merkmale aus und ist bestimmt dazu entweder ein Weltenherrscher oder ein Erwachter zu werden.