Zusammengestellt von Manfred Wiesberger (Viriya)
Das Wort läßt sich entweder von „weggehen“ (von den Sinnesdingen) (kāma), „hinausziehen“ (in die Hauslosigkeit) (nikkhamati) oder von „begierdelos“, „ohne Lust“ (nikkama), ableiten. Zusammengenommen vereinen sich hier die Aspekte des äußerlichen und innerlichen Zurücklassens der Sinnenwelt.
Die Vollkommenheit der Weltabwendung oder Entsagung (nekkhamma) ist wohl die am schwierigsten zu vermittelnde, denn sie steht in Opposition zu Allem worin der unbelehrte Weltmensch sein Glück vermutet. Er ist der festen Überzeugung das wahre Glück finde sich in den Genüssen der sinnlichen Erfahrung. Das wird von einem Mann namens Tapussa sehr klar zum Ausdruck gebracht:
„Wir als Hausleute, ehrwürdiger Ananda, genießen die Sinnendinge, finden an den Sinnendingen Freude, Gefallen und Entzücken. Uns Hausleuten aber, Ehrwürdiger, die wir die Sinnendinge genießen, an den Sinnendingen Freude, Gefallen und Entzücken finden, uns erscheint die Entsagung wie ein Abgrund.“ A.IX. 41
Weil Tapussa und nicht nur er, das Wort nekkhamma falsch als Opfer, als Askese oder Selbstkasteiung (tapa) versteht, anstatt als ein sich Abwenden von etwas das man als unheilsame oder dumme Angewohnheit erkannt hat erscheint ihm nekkhamma als gähnend leerer Abgrund. Der Genuß ist für den Weltmensch ja nicht nur etwas das Glück verheißt sondern auch ein „Ort“ an dem er vor dem Leid mit dem er konfrontiert wird Zuflucht sucht. Es bleibt ihm auch gar nichts anderes übrig, weil er noch nichts anders kennt.
„Wird er (der Weltmensch) nun von einem Wehgefühl getroffen, dann sucht er Freude im Sinnenwohl. Und warum? Nicht kennt ja, ihr Bhikkhus, der unerfahrene gewöhnliche Mensch eine andere Entrinnung von dem Wehgefühl als das Sinnenwohl.“ S 36,6
Ganz anders der belehrte Nachfolger des Buddha der nicht nur das kennt wovon er sich abwendet sondern auch das dem er sich zuwendet:
„Wird er nun von einem Wehgefühl getroffen, so sucht er keine Freude im Sinnenwohl. Und warum? Es kennt ja der erfahrene edle Jünger, ihr Bhikkhus, ein anderes Entkommen vor dem Wehgefühl als sinnliches Wohl.“ S 36,6
Das scheint auch Tapussa gehört zu haben aber er kann das gar nicht recht glauben:
„Doch gehört habe ich, Ehrwürdiger, daß in dieser Lehre und Ordnung schon bei ganz jungen Mönchen das Herz einen Drang fühlt zur Entsagung, dazu neigt, sich darin festigt und darin Befreiung findet, in der Erkenntnis: „Dies ist der Friede!“ Die Entsagung eben ist es, worin in dieser Lehre und Ordnung die Mönche sich von der großen Menge unterscheiden.“
„Das, wahrlich, Hausvater, ist ein Gesprächsthema, um dieserhalb den Erhabenen aufzusuchen. Laßt uns zum Erhabenen gehen und ihm dies mitteilen! Wie der Erhabene es erklären wird, so wollen wir es bewahren.“
„Gut!“, erwiderte der Hausvater Tapussa dem ehrwürdigen Ananda. Und sie begaben sich zum Erhabenen und teilten ihm die Sache mit.
„So ist es, Ananda! So ist es, Ananda! Auch ich, Ananda, hatte vor meiner vollen Erleuchtung, als ich noch nicht völlig erleuchtet, noch ein Anwärter auf die Erleuchtung war, den Gedanken: „Etwas Gutes ist die Entsagung! Etwas Gutes ist die Abgeschiedenheit!“ Doch mein Herz, Ananda, fühlte keinen Drang zur Entsagung, neigte nicht dazu, festigte sich nicht darin und fand darin keine Befreiung. Da, Ananda, fragte ich mich: „Was ist wohl die Ursache dafür, was der Grund?“ Und der Gedanke kam mir: „Nicht habe ich das Übel der Sinnendinge erkannt und oft erwogen, habe den Segen der Entsagung noch nicht empfunden und erwirkt. Darum eben fühlt mein Herz keinen Drang zur Entsagung, neigt nicht dazu, festigt sich nicht darin und findet darin keine Befreiung.“ Ich sagte mir daher: „Wenn ich nun das Übel der Sinnendinge erkenne und oft erwäge, und den Segen der Entsagung empfinde und erwirke, so mag es wohl sein, daß dann mein Herz einen Drang fühlt zur Entsagung, dazu neigt, sich darin festigt und darin Befreiung findet.“ Und in der Folgezeit, Ananda, erkannte und erwog ich oft das Übel der Sinnendinge, und ich empfand und erwirkte den Segen der Entsagung, so daß mein Herz einen Drang fühlte zur Entsagung, dazu neigte, sich darin festigte und darin Befreiung fand, in der Erkenntnis: „Das ist der Friede!“
In der Folgezeit nun, Ananda, gewann ich, abgeschieden von den Sinnendingen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, die erste Vertiefung und weilte darin. (…) A IX, 41
Erst wenn man aufgrund von Vertrauen oder eigener häufiger Überlegungen eine Neigung in sich entwickelt hat sich von den Sinnesdingen abzuwenden ist man dazu auch in der Lage, kann einen neuen Blickwinkel entwickeln und ein anderes, höheres Glück kennenlernen.
„Zwei Arten des Glückes gibt es, ihr Mönche. Welche zwei?
Das Glück des Sinnengenusses und das Glück der Entsagung. Diese beiden Arten des Glückes gibt es. Das höchste dieser beiden aber ist das Glück der Entsagung.“ A II, 66
Allein sich die Existenz eines höheren Glücks vorzustellen ist aber leichter gesagt als getan, gerade für Menschen denen durch ihr völliges Eingetauchtsein in sinnlicher Begehrlichkeit der Blick für etwas das darüber hinausgeht verstellt ist. Denn ist die Sinneswelt für uns die einzig existente Realität und die Vernunft das einzige Mittel um Wissen zu erlangen erscheint die Weltabwendung mit dem Ziel einer jenseits der Sinneserfahrung liegenden Realität geradezu absurd. Diesen „Materialisten“ wird es ergehen wie dem Königssohn Jayasena, der bei einem Spaziergang im Park den jungen Asketen Aciravata trifft und ihn zu diesem Thema befragt:
„Sagen lassen habe ich mir, Aggivessana, daß da ein Mönch, der ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, Einigung des Herzens finden mag.“
„So ist es, Königsohn“, antwortet Aciravata und versucht zu erklären wie man die Einigung des Herzens zu finden vermag. Aber Jayasena hält das für unmöglich und setzt seinen Spaziergang fort. Aciravata scheint dadurch ziemlich frustriert zu sein, denn er sucht den Erhabenen auf und berichtet ihm von dem Gespräch:
„Nach diesem Bericht wandte sich nun der Erhabene also an Aciravat den jungen Asketen:
„Wie denn, sollte es möglich sein, daß das, was durch Entsagung erkennbar, durch Entsagung ersehbar, durch Entsagung erreichbar, durch Entsagung erwirkbar ist, etwa auch von Jayasena dem Königsohne, der mitten in Begehren lebt, Begehren genießt, von begehrlichen Gedanken verzehrt wird, von begehrlichem Fieber entzündet ist, eifrig dem Begehren nachgeht, erkannt oder ersehen oder erreicht oder verwirklicht werden könnte? Das ist unmöglich. (…)
Gleichwie etwa, wenn da in der Nähe eines Dorfes oder einer Burg ein hoher Felsen stände. Zu diesem gingen zwei Freunde, aus dem Dorfe oder der Burg Arm in Arm hinschreitend, heran, dem Felsen entgegen. Dort angelangt bliebe der eine der Freunde unten, am Fuße des Felsens, stehn, während der andere auf den Gipfel des Felsens emporstiege. Und es riefe der Freund unten, am Fuße des Felsens, dem Freunde, der auf den Gipfel des Felsens gestiegen wäre zu: „Was siehst du denn, oben vom Felsen aus?“ Der aber sagte: „Ich sehe da einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel.“ Und jener spräche: „Unmöglich ist es, es kann nicht sein, daß du oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel siehst.“
Da stiege der Freund oben vom Gipfel herab bis zum Fuße, ergriffe den Freund unterm Arme, führte ihn auf den Felsen empor, und nachdem er ihn eine Weile ausruhen lassen, fragte er ihn: „Was siehst du denn?“ Und jener spräche: „Ich sehe da, einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel.“ Der aber sagte: „Eben erst hast Du gesagt: „Unmöglich ist es, es kann nicht sein, daß du oben vom Felsen aus einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel siehst“; und jetzt sagst Du: „Ich sehe da, einen heiteren Garten, einen herrlichen Wald, eine blühende Landschaft, einen lichten Wasserspiegel.“ Und jener spräche: „So lange ja mich eben, dieser hohe Felsen gehindert hat, habe ich das Sichtbare nicht gesehn.‘
Ebenso nun auch, aber noch mächtiger, hat, gewaltiges Unwissen Jayasena den Königsohn gehindert, gehemmt, angehalten, eingeschlossen.“ M 125
Aber auch das Einräumen der Möglichkeit von einem höheren Glück jenseits der Sinnesfreuden ist noch nicht genug um sich davon abzuwenden, man muß sich auch der Gefahr bewußt sein, die in dem Mitgerissenwerden durch den Strom der Sinneserfahrung besteht:
„Angenommen, Bhikkhus, ein Mann würde von der Strömung eines Flusses fortgetragen, der anscheinend erfeulich und angenehm ist. Aber ein scharfsichtiger am sicheren Ufer stehender Mann würde ihn sehen und ihm zurufen: „Hallo, guter Mann! Obwohl der Fluß von dessen Strömung du fortgetragen wirst anscheinend erfreulich und angenehm ist, befindet sich doch weiter flußabwärts eine Stelle mit Stromschnellen, mit Strudeln, mit Monstern und Dämonen. Wenn du da ankommst wirst du den Tod oder tödliche Schmerzen erleiden.“ Auf diese Worte hin, würde doch der Mann, mit Händen und Füßen gegen die Strömung ankämpfen.
Ich habe dieses Beispiel benutzt um etwas zu verdeutlichen. Und was ich verdeutlichen will ist dies: Die „Strömung des Flusses“ ist ein Synonym für Begehren. „Anscheinend erfreulich und angenehm“ steht für die sechs inneren Sinnesgrundlagen. Die „Stelle flußabwärts“ symbolisiert für die fünf niederen Fesseln. Die „Stromschnellen“ sind Ärger und Frustration. Die „Strudel“ entsprechen den fünf Sinnessträngen. „Monster und Dämonen“ entsprechen dem anderen Geschlecht. „Gegen die Stömung“ ist das Synonym für die Weltabwendung. „Mit Händen und Füßen dagegen ankämpfen“ steht für das Erzeugen von Tatkraft und Energie. Und der scharfsichtige am sicheren Ufer stehende Mann“ ist der Tathagata, der Arahat, der vollkommen Erwachte.“ Itiv 109
Mit dieser Vollkommenheit gelangen wir an den Wendepunkt vom Weltmenschen zum ernsthaft spirituell Suchenden. Dana (Großzügigkeit) wandelt mit Hilfe von nekkhamma zu caga (Loslassen) und zu heilsamen Verhalten (sila) im Umgang mit der Welt gesellt sich durch nekkhamma, dem Hintersichlassen weltlicher Sorgen und Begierden, ein weltunabhängiges Wohl. Der Geist selbst wird von Befleckungen (kilesa) gereinigt und fähig zu tiefer Erkenntnis, denn durch die Abwendung von den kilesa werden diese langsam ausgehungert und haben immer weniger Kraft um den Geist zu verstören:
„Was da, ihr Bhikkhus, Willensgier zum Auge ist – zum Ohr – zur Nase – zur Zunge – zum Leib – zum Geist: eine Befleckung des Geistes ist dies.
Wenn nun, ihr Mönche, ein Mönch in diesen sechs Fällen (solche) Befleckung seines Geistes aufgegeben hat zur Entsagung geneigt ist dann sein Geist; und ein durch Entsagung völlig entfalteter Geist erweist sich als fähig zum Werk bei den durch tiefe Erkenntnis zu verwirklichenden Dingen.“S 27, 1
Wem das jetzt alles immer noch zu sehr nach Schmerzensaskese und Nagelbrett klingt, dem sei versichert, daß der Gang in die Hauslosigkeit und die Entsagung durchaus ihre erfreulichen Seiten hat. Dazu gibt es in den Schriften eine sehr nette Geschichte von dem Bhikkhu Bhaddiya, der vor seinem Gang in die Hauslosigkeit Mitglied einer königlichen Familie war. Seine Mönchskollegen beschweren sich beim Buddha über ihn, weil er ständig „oh, welch Seligkeit, oh, welch Seligkeit“ vor sich hinmurmelt. Der Buddha ruft in zu sich und fragt ihn ob das wahr sei. Bhaddiya bejaht das und der Erhabene will den Grund wissen. Daraufhin erzählt Bhaddiya folgendes:
„Früher, als ich im Hause lebte und mich am Wohl eines Mitglieds der königlichen Familie erfreute, waren überall in meinen Gemächern, in der Stadt und in der Umgebung überall Wachen postiert. Aber, obwohl ich derart beschützt und bewacht wurde, lebte ich in Angst, war nervös, mißtrauisch und fürchtete mich. Aber jetzt, da ich allein in den Wald gehe, zum Fuß eines Baumes oder zu einer leeren Behausung, bin ich furchtlos, nicht nervös, zuversichtlich und ohne Angst. Ich lebe ich ohne Sorgen, lasse mich durch nichts aus der Ruhe bringen, meine Bedürfnisse sind befriedigt und mein Geist ist unbeschwert wie der eines Rehs. Das erkenne ich und das ist der Grund, warum ich „oh, welch Seligkeit, oh, welch Seligkeit“ vor mich hinmurmle.“ Ud 2, 10
Die eben beschriebene Furchtlosigkeit die durch die vollständige innerliche Abwendung von der Sinnenwelt entsteht, läßt sich auch durch den nahenden Tod nicht erschüttern.
„Einstmals begab sich Jánussoni, der Brahmane, dorthin, wo der Erhabene weilte. Dort angelangt wechselte er mit dem Erhabenen freundlichen Gruß, und nach Austausch höflicher und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Jánussoni, der Brahmane, zum Erhabenen also:
„Das behaupte ich, Herr Gotama, das ist meine Ansicht: „Keinen gibt es unter den Sterblichen, der nicht vor dem Tode in Furcht und Angst geriete.“
„Es gibt, Brahmane, Sterbliche, die vor dem Tode in Furcht und Angst geraten. Und es gibt, Brahmane, Sterbliche, die vor dem Tode nicht in Furcht und Angst geraten. (…)
Zwei der vier Beispiele die der Erhabene in dieser Sutta beschreibt beziehen sich auf nekkhamma:
„Da ist einer, Brahmane, bei den Sinnenfreuden frei von Gier und Willensdrang, frei von Zuneigung und Durst, frei von fieberhaftem Verlangen und Begehren. Der wird nun von einer heftigen Krankheit befallen. Von heftiger Krankheit befallen, wird ihm dabei nicht zumute: „Ach, die geliebten Sinnenfreuden werden mir schwinden! Ach, verlieren soll ich die geliebten Sinnenfreuden!“ Und er jammert nicht, stöhnt nicht, klagt nicht, schlägt sich nicht weinend an die Brust, gerät nicht in Verzweiflung. Ein solcher Sterblicher, Brahmane, gerät vor dem Tode nicht in Furcht und Angst.
Ferner noch, Brahmane: da ist einer beim Körper frei von Gier und Willensdrang, frei von Zuneigung und Durst, frei von fieberhaftem Verlangen und Begehren. Der wird nun von einer heftigen Krankheit befallen. Von heftiger Krankheit befallen, wird ihm dabei nicht zumute: „Ach, der geliebte Körper wird mir schwinden! Ach, verlieren soll ich den geliebten Körper!“ Und er jammert nicht, stöhnt nicht, klagt nicht, schlägt sich nioht weinend an die Brust, gerät nicht in Verzweiflung. Auch ein solcher Sterblicher, Brahmane, gerät vor dem Tode nicht in Furcht und Angst.“ A IV, 184
Voraussetzung für eine so hohe Form der Weltabwendung ist allerdings, eine Neigung dazu, das richtige Verständnis, das richtige Training und ein hohes Maß an Durchhaltevermögen.
„Fünf Elemente des Entrinnens gibt es, ihr Mönche. Welche fünf? Wenn da, ihr Mönche, ein Mönch ein Sinnenobjekt erwägt, so fühlt sein Geist keinen Drang zu den Sinnenobjekten, hat kein Gefallen an ihnen, verharrt nicht bei ihnen, neigt sich ihnen nicht zu. Doch wenn er die Entsagung erwägt, so fühlt sein Geist einen Drang zur Entsagung, findet Gefallen an ihr, verharrt bei ihr, neigt sich ihr zu. Gut gerichtet ist dann sein Geist, gut entfaltet, gut [der Sinnlichkeit] enthoben, gut [von ihr] befreit, gut losgelöst von den Sinnendingen. Befreit ist er von jenen bedrückenden, quälenden Trieben, die durch die Sinnendinge bedingt zum Entstehen kommen; und jene Empfindungen kommen ihn nicht mehr an. Das aber nennt man das Entrinnen von den Sinnenlüsten.“ A V, 200
Nicht jeder ist dafür tauglich:
„Bei wem, ihr Mönche, fünf Dinge anzutreffen sind, ein solcher Mönch ist nicht geeignet, abgesondert von der Mönchsgemeinde zu leben. Welche fünf?
Da, ihr Mönche, ist der Mönch nicht zufrieden mit jedem Gewand, ist nicht zufrieden mit jeder Almosenspeise, ist nicht zufrieden mit jeder Lagerstatt, ist nicht zufrieden mit jeder Arznei; und er verweilt häufig bei begehrlichen Gedanken.
Wenn bei einem Mönche diese fünf Dinge anzutreffen sind, so ist er nicht geeignet, abgesondert von der Mönchsgemeinde zu leben.“ A V, 127
So einer wird den Heilswandel ohne Freude führen. Hat er aber eine Neigung zur Entsagung in sich entwickelt wird aus dem was dem Untauglichen Leid bereitet, für ihn ein Anlaß zur Freude:
„Fünf Asketenfreuden gibt es, ihr Mönche. Welche fünf?
Da, ihr Mönche, ist der Mönch zufrieden mit jedem Gewand, ist zufrieden mit jeder Almosenspeise, ist zufrieden mit jeder Lagerstatt, ist zufrieden mit jeder Arznei; und voll Freude führt er den heiligen Wandel. Das, ihr Mönche, sind die fünf Asketenfreuden“ A V, 128
„Mit vier Dingen ausgerüstet, ihr Mönche, ist der Mönch imstande, in einsamen Waldgegenden, in abgeschiedenen Behausungen zu leben. Welches sind diese vier Dinge?
Wenn er ausgerüstet ist mit entsagenden Gedanken, wohlwollenden Gedanken, friedfertigen Gedanken, wenn er weise ist, verständig und scharfsinnig.“ A IV, 259
Bei manchen wurde die Neigung zur Weltabwendung erst durch ein Wort des Erabenen aktiviert, was gewöhnlich darin bestand, daß „der Erhabene eine stufenweise Belehrung über die Freigebigkeit, die Sittlichkeit, die Himmelswelten, und er beleuchtete das Elend, die Hinfälligkeit und Unreinheit der Sinnenlüste und den Segen der Entsagung gab.“ (z.B. A VIII, 12) In einem jungen Mann hinterließ diese Belehrung ein solchen Eindruck, daß er sich durch nichts und niemand mehr vom Mönchsleben abhalten lassen wollte:
„Seitwärts sitzend sprach nun Ratthapala der junge Edelmann also zum Erhabenen:
„So ich da wirklich, Herr, die vom Erhabenen dargelegte Lehre verstehe, geht es nicht wohl, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Ich wünsche, Herr, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit hinauszuziehn: möge mir, der Erhabene Aufnahme gewähren, die Ordensweihe erteilen!“
„Und hast du, Ratthapala, die Zustimmung deiner Eltern erhalten, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehn?“
„Nicht hab‘ ich, Herr, die Zustimmung meiner Eltern erhalten, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehn.“
„Nicht nehmen, Ratthapala, Vollendete ohne Zustimmung der Eltern den Sohn auf.“
„Dann werde ich, dahin wirken, daß mir die Eltern ihre Zustimmung nicht versagen sollen, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehen.“
Und Ratthapala stand von seinem Sitze auf, begrüßte den Erhabenen ehrerbietig, ging rechts herum und begab sich zu seinen Eltern. Dort angelangt sprach er also zu ihnen:
„Mutter, Vater! So ich da wirklich die vom Erhabenen dargelegte Lehre verstehe, geht es nicht wohl, wenn man im Hause bleibt, das völlig geläuterte, völlig geklärte Asketentum Punkt für Punkt zu erfüllen. Ich wünsche, mit geschorenem Haar und Barte, mit fahlem Gewande bekleidet, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu ziehn – gestattet mir, daß ich fort vom Hause in die Hauslosigkeit gehe!“
Auf diese Worte sprachen die Eltern zu Ratthapala:
„Du bist, unser einziges, teures, geliebtes Kind, in Freuden erwachsen, in Freuden auferzogen. Du weißt, nichts von Leiden. Komm, lieber Ratthapala: iß‘ und trink‘ und erfreue dich! Du kannst doch essen und trinken und dich erfreuen und fröhlich genießen und Gutes tun und dich damit zufriedengeben. Wir gestatten dir nicht, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehn! Sogar der Tod ließe uns deinen Verlust nicht willig ertragen, wie sollten wir dich erst lebendig aus dem Hause in die Hauslosigkeit ziehn lassen?“
Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprach Ratthapala also zu seinen Eltern. (…)
Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprachen die Eltern zu Ratthapala. (…)
Da dachte Ratthapala: „Meine Eltern wollen mich nicht aus dem Hause in die Hauslosigkeit ziehn lassen“; und er legte sich auf den bloßen Erdboden hin und sagte: „Hier will ich den Tod erwarten oder euere Zustimmung.“
Und Ratthapala ließ eine Mahlzeit vorübergehn, und zwei und drei und vier Mahlzeiten vorübergehn, und fünf und sechs und sieben Mahlzeiten vorübergehn. Aber die Eltern sprachen Ratthapala also zu:
„Du bist, unser einziges, teures, geliebtes Kind, in Freuden erwachsen, in Freuden auferzogen, du weißt, nichts von Leiden. Erhebe dich, lieber Ratthapala: iß‘ und trink‘ und erfreue dich! Du kannst essen und trinken und dich erfreuen und fröhlich genießen und Gutes tun und dich damit zufriedengeben. Wir gestatten dir nicht, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehn! Sogar der Tod ließe uns deinen Verlust nicht willig ertragen, wie sollten wir dich erst lebendig aus dem Hause in die Hauslosigkeit ziehn lassen?“
So angesprochen gab Ratthapala keine Antwort.
Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal sprachen die Eltern Ratthapala also zu. (…)
Und ein zweites Mal, und ein drittes Mal gab Ratthapala keine Antwort.
Da begaben sich nun, auf die Bitten der Eltern, seine Freunde zu ihm und sprachen ihm dreimal zu: und dreimal ließ er sie reden und gab ihnen keine Antwort. Und seine Freunde kehrten wieder zu den Eltern zurück und sprachen zu ihnen:
„Liebe Eltern, euer edler Sohn Ratthapala liegt auf dem bloßen Erdboden: da will er den Tod erwarten oder euere Zustimmung. Wenn ihr ihm nicht gestatten wollt, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu ziehn, so wird er eben da sterben. Wenn ihr ihm aber gestatten wollt, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu ziehn, so werdet ihr ihn doch als Bhikkhu sehn. Und wenn euer Sohn am Mönchsleben keinen Gefallen findet, wo sollte er sich anders hinwenden? Er wird wieder hierher zurückkehren. Gebt euerem Sohn doch die Zustimmung, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehn.“
„Wir geben, ihr Guten, unserem Sohn Ratthapala die Zustimmung, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu ziehn, aber er soll seine Eltern als Bhikkhu besuchen!“
Da gingen die Freunde zu Ratthapala dem jungen Edelmann zurück und sprachen zu ihm:
„Deine Eltern gestatten dir, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu gehn: aber du sollst deine Eltern als Bhikkhu besuchen!“
Und Ratthapala stand auf, kam zu Kräften und begab sich dorthin wo der Erhabene weilte. Dort angelangt begrüßte er den Erhabenen ehrerbietig und setzte sich seitwärts nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Ratthapala zum Erhabenen:
„Erhalten habe ich, Herr, meiner Eltern Zustimmung, aus dem Hause in die Hauslosigkeit zu ziehn: möge der Erhabene mich aufnehmen!“
Und Ratthapala der junge Edelmann wurde vom Erhabenenin den Orden aufgenommen. (…)“
Bei dieser Entschlossenheit ist es nicht verwunderlich, daß Ratthapala innerhalb von vierzehn Tagen das Ziel der Asketenschaft erreichte und vom Erhabenen als erster unter den aus Vertrauen Nachfolgenden bezeichnet wurde.
Nun kann es aber bis zum vollständigen Erwachen schon mal etwas länger dauern und so ist es nicht verwunderlich wenn dem einen oder anderen bei der Entsagung Gedanken dieser Art aufsteigen:
„Während nun der ehrwürdige Sona einsam und abgesondert verweilte, stieg ihm im Geiste folgende Erwägung auf: „Von denen unter den Jüngern des Erhabenen, die voller Eifer verharren, bin ich einer. Dennoch aber findet mein Herz nicht die haftlose Befreiung von den Trieben. Nun besitzt ja meine Familie großen Reichtum, und man kann ja seine Schätze genießen und dabei gute Werke tun. So will ich denn lieber die Schulung aufgeben, zum niederen Weltleben zurückkehren, meinen Besitz genießen und gute Werke tun.“
Der Erhabene kommt Sona zu Hilfe und erklärt ihm, daß man auf zu straff oder zu locker gespannten Saiten eines Instruments nicht richtig spielen kann.
„Ebenso auch, Sona, führt allzu straffe Anspannung der Willenskraft zur Aufregung, allzu schlaffe Anspannung aber zur Trägheit. Darum, Sona, halte dich an ein Ebenmaß deiner Willenskraft, erwirb dir ein Ebenmaß deiner Fähigkeiten und so strebe dann nach dem Ziel.“ A VI, 55
Wenn man also im buddhistischen Kontext von Entsagung, Weltabwendung und Asketentum spricht, dann darf man nicht vergessen, daß wir vom mittleren Weg sprechen und nekkhamma daher mit Selbstkasteiung oder Selbstüberforderung nichts zu tun hat. Es geht vorrangig nicht um die Objekte sinnlicher Freuden (vatthu-kama) sondern um das auf sie gerichtete Begehren (kilesa-kama), wie folgende Textstelle verdeutlicht.
„Da weilt aber ein Bhikkhu in der Nähe eines Dorfes oder einer Ortschaft. Und ein Hausvater oder der Sohn eines Hausvaters kommt zu ihm und ladet ihn für den folgenden Tag zum Mahl ein. Wenn der Bhikkhu gewillt ist, gibt er seine Zustimmung. Nach Ablauf jener Nacht nun kleidet er sich in der Frühe an, nimmt Almosenschale und Gewand und begibt sich zur Wohnung jenes Hausvaters. Dort angelangt, setzt er sich auf dem angewiesenen Sitz nieder, und jener Hausvater bedient ihn und wartet ihm eigenhändig mit vorzüglicher harter und weicher Speise auf. Da aber denkt jener Bhikkhu nicht so: „Wahrlich, schön ist es, wie mich dieser Hausvater bedient und mir mit vorzüglicher harter und weicher Speise aufwartet!“ Nicht kommt ihm da der Gedanke:
„Ach, daß doch dieser Hausvater mich auch fernerhin bedienen und mir mit solch vorzüglicher harter und weicher Speise aufwarten möchte!“ Und ohne Gier, unbetört, unverlockt, das Elend dabei merkend, der Entrinnung eingedenk, verzehrt er die Almosenspeise. Dabei hegt er entsagende Gesinnung, haßlose Gesinnung und friedfertige Gesinnung. Die Gabe an einen solchen Bhikkhu, sage ich, bringt hohe Frucht. Und warum? Vollen Ernstes lebt ja dieser Bhikkhu.“ A III, 124
Auch wenn man in die Hauslosigkeit gezogen ist heißt das noch nicht, daß man weltabgewandt lebt. Die Quantität der sinnlich erlebbaren Freuden wurde zwar verringert und dadurch ein gewisser Freiraum an Zeit und Energie geschaffen, der mit sinnvoller Übung gefüllt werden kann aber die Neigung dazu ist noch nicht erloschen und findet immer wieder einen Weg um sich durch „harmlose Freuden“ Befriedigung zu verschaffen.
„Ananda, ein Bhikkhu glänzt nicht dadurch, daß er durch die Gemeinsamkeit froh wird, an der Geselligkeit Freude hat, sich der Geselligkeit hingibt, an Gesellschaft Befriedigung findet, sich in Gesellschaft vergnügt, sich über Gesellschaft freut.
Daß aber, Ananda, ein Bhikkhu, der durch die Gemeinsamkeit froh wird, an der Geselligkeit Freude hat, sich der Geselligkeit hingibt, an Gesellschaft Befriedigung findet, sich in Gesellschaft vergnügt, sich über Gesellschaft freut, jemals nach Wunsch, ohne Beschwerde oder Schwierigkeiten das Wohl der Entsagung, das Wohl der Abgeschiedenheit, das Wohl des Friedens, das Wohl des Erwachens erlangen kann das ist unmöglich.
Von einem Bhikkhu aber, der alleine lebt, abseits von Gesellschaft, kann erwartet werden, daß er nach Wunsch ohne Beschwerde oder Schwierigkeiten das Wohl der Entsagung, das Wohl der Abgeschiedenheit, das Wohl des Friedens, das Wohl des Erwachens erlangt.“
M 122
Erst der triebversiegte Bhikkhu ist von „Versuchungen“ dieser Art völlig frei.
„Da hat der triebversiegte Bhikkhu der Wirklichkeit gemäß in rechter Weisheit klar erkannt, daß alle Gebilde vergänglich sind. (…)
Fernerhin, hat der triebversiegte Bhikkhu der Wirklichkeit gemäß in rechter Weisheit klar erkannt, daß die Sinnenlüste einer Grube mit glühenden Kohlen gleichen. (…)
Fernerhin, Herr, neigt sein Geist zur Einsamkeit, ist der Einsamkeit zugewandt, der Einsamkeit ergeben, losgelöst und in der Entsagung beglückt, gänzlich entgangen den triebhaften Dingen. (…)“ A X, 90
So einer hat richtig geübt:
„Wenn ein Bhikkhu die Sinnesbegehren betrachtet, springt sein Geist nicht darauf an, befriedigt sich nicht daran, versteift sich auf sie oder entscheidet sich für sie. Wenn er aber die Weltabwendung betrachtet, springt sein Geist darauf an, erfreut sich daran, verbindet sich damit und entscheidet sich für sie. Und er gestaltet seine Gedanken richtig ausgerichtet, richtig entwickelt, richtig erhoben, richtig frei und ungebunden von Sinnesbegehren. Und so ist er frei von den Einflüssen, der Verwirrung und dem Fieber das aus Sinnesbegehren entsteht und er fühlt kein durch Sinnlichkeit verursachtes Gefühl. Das nennt man die Befreiung von Sinnesbegehren. Der unterrichtete edle Jünger aber, ihr Bhikkhus, der Entsagung sucht, befindet sich in drei Beziehungen auf rechtem Weg: im körperlichen Tun, im Reden, im Denken.
Das ist gerade so, ihr Bhikkhus, wie wenn da ein Mann eine brennende Grasfackel auf einen dürren Grasplatz hinwürfe; wenn er sie sofort mit Händen und Füßen auslöschte, so würden alle die Lebewesen, ihr Bhikkhus, die im Gras und Stroh wohnen, nicht zu Tod und Verderben kommen.
Ganz ebenso werden, ihr Bhikkhus, alle die Samanas oder Bráhmanas, die eine abwegige Vorstellung, die in ihnen entstanden, sofort aufgeben, entfernen, beseitigen, vernichten, bei Lebzeiten glücklich leben, ohne Pein, ohne Verzweiflung, ohne heiße Qual. Und nach dem Tode infolge der Auflösung des Körpers ist glückliche Existenz zu erwarten.“ D 33
So einer hat die geistigen Mechanismen richtig genutzt:
„In Abhängigkeit vom Entsagungselement entsteht die Wahrnehmung von Entsagung; in Abhängigkeit von der Wahrnehmung der Entsagung entsteht, der Vorsatz der Entsagung; in Abhängigkeit vom Vorsatz der Entsagung entsteht der Wunsch nach Entsagung; in Abhängigkeit vom Wunsch nach Entsagung entsteht die Sehnsucht nach Entsagung; in Abhängigkeit von der Sehnsucht nach Entsagung entsteht das Suchen nach Entsagung.“ S 14, 12
Und so einer kann von sich sagen:
„Ich habe das Elend der Sinnesfreuden gesehen. – Ich habe die Sicherheit gesehen die aufgrund die Abwendung von ihnen entsteht.“ Sn 424
Um das zu erreichen bedarf es, wie oben schon mehrfach erwähnt, ein gehöriges Maß an gezielter Reflektion. Der Erhabene zeigt an mehreren Stellen auf, wie man nekkhamma reflektieren soll um eine Neigung dafür zu schaffen und gibt eindrückliche Beispiele für das Elend des sinnlichen Begehrens.
„Da denkt ein edler Schüler so: „sinnliche Freuden hier und jetzt und sinnliche Freuden in kommenden Leben, das sind doch alles Köder Maras, sie befinden sich in Maras Reich, Maras Jagdgrund. Wegen ihnen steigen diese üblen und unheilsamen Geisteszustände wie Habgier, Übelwollen und Anmaßung auf und diese stellen ein Hindernis für einen edlen Schüler in diesem Training dar. Angenommen ich würde mit einem weiten und erhabenen Geist verweilen, hätte die (Sinnen-)Welt überwunden und im Geist einen festen Entschluß gefaßt. Wenn ich das tue gibt es in mir keine üblen und unheilsamen Geisteszustände wie Habgier, Übelwollen und Anmaßung mehr und sobald ich diese überwunden habe wird mein Geist unbegrenzt, unermeßlich und gut entwickelt sein. Wenn er auf diese Weise übt und häufig so verweilt, erlangt sein Geist Zuversicht in dieser Grundlage. Sobald er von Zuversicht erfüllt ist, erlangt er entweder jetzt die Unverstörbarkeit oder er entscheidet sich dafür Weisheit zu vervollkommnen. (…)
Ein edler Schüler betrachtet so: Sinnliche Freuden hier und jetzt und sinnliche Freuden in kommenden Leben, sinnliche Wahrnehmung hier und jetzt und sinnliche Wahrnehmung in kommenden Leben, materielle Form hier und jetzt und materielle Form in kommenden Leben, Wahrnehmungen von Form hier und jetzt und Wahrnehmungen von Form in kommenden Leben und die Wahrnehmungen der Unverstörtheit – das alles sind Wahrnehmungen. Wo diese Wahrnehmungen ohne Überrest erlöschen, das ist das Friedvolle, das ist das Erhabene, nämlich der Bereich der Nichtetwasheit.“ Wenn er auf diese Weise übt und häufig so verweilt, erlangt sein Geist Zuversicht in dieser Grundlage. Sobald er von Zuversicht erfüllt ist, erlangt er entweder jetzt den Bereich der Nichtetwasheit oder er entscheidet sich dafür Weisheit zu vervollkommnen. … Oder ein edler Schüler betrachtet also: „Dies ist leer von einem Selbst und was zu einem Selbst gehören könnte.“ …
Oder ein edler Schüler betrachtet also: „Ich bin nichts das irgendwem irgendwo gehören könnte, noch gibt es etwas in irgendjemand auf der Welt das mir gehören könnte.“ … Sobald er von Zuversicht erfüllt ist, erlangt er entweder jetzt den Bereich der Nichtetwasheit oder er entscheidet sich dafür Weisheit zu vervollkommnen. (…)
Vergänglich, ihr Bhikkhus, sind sinnliche Freuden, hohl und falsch und täuschend; sie sind illusorisch, das Geschwätz der Toren. Sinnliche Freuden hier und jetzt und sinnliche Freuden in zukünftigen Leben, sinnliche Wahrnehmung hier und jetzt und sinnliche Wahrnehmung in zukünftigen Leben beides ist Maras Gebiet, Maras Bereich, Maras Köder, Maras Jagdgrund. Aus ihnen entstehen solche üblen unheilsamen geistigen Zustände wie Habgier, Übelwollen und Anmaßung und sie stellen ein Hindernis für einen edlen Schüler in diesem Training dar.“ M 106
„Steigen da, ihr Bhikkhus, einem Bhikkhu oder einer Nonne bei den durch das Auge ins Bewußtsein tretenden Formen, bei den durch die Zunge ins Bewußtsein tretenden Säften, bei den durch den Geist ins Bewußtsein tretenden Dingen Wille auf, Reiz, Abwehr oder Widerstand, dann sollen sie mit dem Gemüt das Herz zurückhalten: „Furchtbar ist dieser Weg, voller Gefahren, voller Dornen, voller Raubtiere. Er ist ein Umweg, ein Abweg, voller Räuber. Unrechte Menschen folgen diesem Weg, nicht wird dieser Weg von rechten Menschen befolgt. Dies ziemt sich nicht für mich.“ So ist mit dem Gemüt das Herz dabei zurückzuhalten.“ S 35, 205
„Angenommen, Hausvater, ein Hund, von Hunger und Schwäche gepeinigt, würde sich vor der Bank eines Rindschlächters aufstellen, und es würfe ihm ein geschickter Schlächter oder Schlächtergeselle ein Knochenstück zu, kahl, abgeschabt, ohne Fleisch, blutbefleckt; was meinst du wohl, könnte da dieser Hund, indem er das Knochenstück, das kahle, abgeschabte, fleischlose, blutbefleckte, rings herum benagt, Hunger und Schwäche vertreiben?“
„Gewiß nicht, Herr!“
„Und warum nicht?“
„Das Knochenstück ist ja kahl, abgeschabt, ohne Fleisch, blutbefleckt, so viel Mühe und Plage auch immer der Hund sich geben mag.“
„Ebenso nun, überlegt der edle Jünger bei sich: „Kahlen Knochen gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“. So, der Wahrheit gemäß, mit angemessener Weisheit sehend, meidet er die Gleichgültigkeit der Vielfalt, die auf Vielfalt gegründete Gleichgültigkeit und entwickelt den geinigten Gleichmut, der auf Einheit gründet; wo jedes Ergreifen und Festhalten der materiellen Dinge der Welt restlos erlischt.
Angenommen, ein Geier oder ein Reiher oder ein Rabe würde einen Fleischfetzen packen und fortreissen, und es stürzten auf ihn andere Geier oder Reiher oder Raben in Scharen hernieder und rauften darum; was meinst du wohl, wenn dieser Geier oder Reiher oder Rabe den Fleischfetzen nicht alsbald fahren ließe, wäre ihm da Tod gewiß oder tödlicher Schmerz?“
„Freilich, Herr!“
„Auch so überlegt der edle Jünger bei sich: „Fleischfetzen gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“. (…)
Angenommen, ein Mann würde mit einer flammenden Strohfackel gegen den Wind gehen; was meinst du wohl, wenn dieser Mann die flammende Strohfackel nicht gar eilig von sich fortwürfe, würde sie da seine Hand versengen, seinen Arm versengen oder andere Glieder des Leibes, und er also Tod erleiden oder tödlichen Schmerz?“
„Freilich, Herr!“
„Auch so, überlegt der edle Jünger bei sich: „Flammendem Stroh gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“. (…)
Angenommen, es wäre da eine Grube, tiefer als Manneshöhe, voll glühender Kohlen, ohne Flammen, ohne Rauch; und es käme ein Mann herbei, der leben und nicht sterben will, der Wohlsein wünscht und Wehe verabscheut, und zwei kräftige Männer ergriffen ihn unter den Armen und schleppten ihn zu der glühenden Kohlengrube hin; was meinst du wohl, würde da nun dieser Mann auf jede nur mögliche Weise den Leib zurückziehn?“
„Gewiß, Herr!Der Mann wüßte ja ganz genau: „Falle ich in diese glühenden Kohlen hinein, so muß ich sterben oder tödlichen Schmerz erleiden!“
„Auch so, überlegt der edle Jünger bei sich: „Glühenden Kohlen gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“.
„Angenommen, ein Mann würde träumen, von einem schönen Garten, einem freundlichen Hain, einer heiteren Landschaft, einem lichten See, aber nach dem Aufwachen würde er gar nichts mehr davon sehen.
Auch so, überlegt der edle Jünger bei sich: „Träumen gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“.
„Angenommen, ein Mann würde etwas als Darlehen entleihen, einen Wagen, beladen mit kostbarem Schmuck und Edelsteinen, und er führe, mit diesem geborgten Schatze zum Marktplatz. Da würden die Leute ihn sehen und sagen: „Reich, wahrlich, ist dieser Mann, so können Reiche den Reichtum genießen!“ Dann aber kämen die Eigentümer, sähen ihn und würden ihr Eigentum zurücknehmen. Was meinst du wohl, genügte das, damit dieser Mann sich niedergeschlagen und verstört fühlen würde?“
„Allerdings, Herr! Die Eigentümer nehmen ja ihre Sachen zurück.“
„Auch so, überlegt der edle Jünger bei sich: „Darlehen gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“. (…)
„Angenommen, es befände sich unweit eines Dorfes oder einer Stadt ein dichter Forst und ein Baum stände darin, der reifende Früchte trägt, und keine der Früchte wäre herabgefallen. Und es käme ein Mann vorbei, der Früchte begehrt, Früchte sucht, nach Früchten ausspäht; und er gelangte ins Innere des Forstes und gewahrte den Baum, der reifende Früchte trägt; da dächte er: „Dieser Baum ist mit reifenden Früchten behangen, und keine der Früchte zu Boden gefallen, aber ich kann ja auf Bäume klettern! Wie, wenn ich nun da hinaufkletterte und mich daran satt äße und meine Tasche damit füllte?“ Und er kletterte hinauf und äße sich satt undfüllte seine Tasche. Dann aber käme ein zweiter Mann, der Früchte begehrt, Früchte sucht, nach Früchten ausspäht, mit einer scharfen Axt; und er gelangte ins Innere des Forstes und gewahrte den Baum mit den reifenden Früchten; da dächte er: „Dieser Baum trägt reifende Früchte, und keine der Früchte liegt auf der Erde, und auf Bäume klettern, das kann ich nicht. Wie, wenn ich nun diesen Baum an der Wurzel fällte und mich dann satt äße und meine Tasche füllte?“ Und er fällte den Baum an der Wurzel. Was meinst du wohl, wenn da jener Mann, der zuerst hinaufgestiegen war, nicht ganz schnell herunterkletterte, würde er sich da nicht durch den Sturz des Baumes die Hand oder den Fuß oder andere Glieder des Leibes zerschmettern, so daß er Tod oder tödlichen Schmerz erlitte?“
„Freilich, Herr!“
Auch so, überlegt der edle Jünger bei sich: „Baumfrüchten gleich sind die Begierden, hat der Erhabene gesagt, voller Leiden, voller Qualen, das Elend überwiegt“. So, der Wahrheit gemäß, mit angemessener Weisheit sehend, meidet er die Gleichgültigkeit der Vielfalt, die auf Vielfalt gegründete Gleichgültigkeit und entwickelt den geinigten Gleichmut, der auf Einheit gründet; wo jedes Ergreifen und Festhalten der materiellen Dinge der Welt restlos erlischt.“M 54
„Was ist nun, Bhikkhus, das Befriedigende bei der Sinnlichkeit? Es gibt diese Fünf Stränge sinnlicher Freuden. Welche fünf? Die durch das Auge, das Ohr, die Nase, die Zunge, den Körper wahrgenommenen Formen, Töne, Gerüche, Geschmäcke, Gegenstände, die ersehnten, geliebten, entzückenden, angenehmen, dem Begehren entsprechenden, lusterzeugenden. Das sind die fünf Stränge sinnlicher Freuden. Was da an Angenehmen und Erfreulichem in Abhängigkeit von diesen fünf Strängen sinnlicher Freuden entsteht ist das Befriedigende bei der Sinnlichkeit.
Und was ist die Gefahr bei der Sinnlichkeit? Da erwirbt sich, einer seinen Unterhalt durch ein Amt, sei es als Schreiber oder als Rechner oder Verwalter, als Landwirt oder als Kaufmann oder als Herdenzüchter, als Soldat oder Minister des Königs, oder durch irgendeinen anderen Dienst, und er ist der Hitze ausgesetzt, ist der der Kälte ausgesetzt, muß Sonne und Wind trotzen, sich mit Mücken, Wespen und Kriechtieren herumschlagen, wird von Hunger und Durst aufgerieben. Das aber, ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, eine hier und jetzt offensichtliche Leidensmasse, verursacht von der Sinnlichkeit, mit der Sinnlichkeit als Ursprung und Grundlage, entstanden einfach aufgrund der Sinnlichkeit.
Wenn dem, der sich also abmüht, plagt und quält, kein Reichtum erwächst, so wird er bekümmert und schwermütig, klagt, schlägt sich stöhnend die Brust und gerät in Verzweiflung: „Vergeblich, ist meine Arbeit, meine Mühe hat keinen Zweck!“ Das aber, ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, (…).
Wenn aber dem, der sich also abmüht, plagt und quält, Reichtum erwächst, so nagen an ihm Sorgen und Pein um die Erhaltung dieses Reichtums: „Daß mir meine Güter nur nicht von Königen eingezogen, oder von Räubern geplündert, oder vom Feuer verzehrt, oder vom Wasser weggespült, oder von feindlichen Verwandten entrissen werden!“ Und wie er so seine Güter zu wahren und schützen versucht werden sie ihm von Königen eingezogen, oder von Räubern geplündert, oder vom Feuer verzehrt, oder vom Wasser weggespült, oder von feindlichen Verwandten entrissen. Da wird er bekümmert und schwermütig, klagt, schlägt sich stöhnend die Brust und gerät in Verzweiflung: „Was ich hatte, habe ich nicht mehr!“ Das aber, ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, (…).
Weiter sodann, Bhikkhus, verursacht von der Sinnlichkeit, mit der Sinnlichkeit als Ursprung und Grundlage, entstanden einfach aufgrund der Sinnlichkeit, streiten Könige mit Königen, Fürsten mit Fürsten, Priester mit Priestern, Bürger mit Bürgern, streitet die Mutter mit dem Sohne, der Sohn mit der Mutter, der Vater mit dem Sohne, der Sohn mit dem Vater, streitet Bruder mit Bruder, Bruder mit Schwester, Schwester mit Bruder, Freund mit Freund. Also in Zwist, Zank und Streit geraten gehn sie mit Fäusten aufeinander los, mit Steinen, Stöcken und Schwertern. Und so erleiden sie Tod oder tödliche Schmerzen. Auch das ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, (…).
Weiter sodann, Bhikkhus, verursacht von der Sinnlichkeit (…), stürzen sich Männer mit Schild und Schwert in den Händen, gegürtet mit Köcher und Bogen, von beiden Seiten der Schlachtordnung in den Kampf, und die Pfeile schwirren und die Speere sausen und die Schwerter blitzen. Und sie durchbohren sich mit Pfeilen, durchbohren sich mit Speeren, spalten sich mit den Schwertern die Köpfe. Und so erleiden sie Tod oder tödliche Schmerzen. Auch das ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, (…).
Weiter sodann, Bhikkhus, verursacht von der Sinnlichkeit (…), stürzen sie sich, Schild und Schwert in den Händen, gegürtet mit Köcher und Bogen, auf die schlüpfrig getünchten Wälle, und die Pfeile schwirren und die Speere sausen und die Schwerter blitzen. Und sie durchbohren sich mit Pfeilen, durchbohren sich mit Speeren, schütten kochende Flüssigkeiten herunter, schleudern zerschmetternde Blöcke herab, spalten sich mit den Schwertern die Köpfe. Und so erleiden sie Tod oder tödliche Schmerzen. Auch das ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, (…).
Weiter sodann, Bhikkhus, verursacht von der Sinnlichkeit (…), brechen sie Verträge, rauben fremdes Gut, stehlen, betrügen, verführen Ehefrauen. Da lassen die Könige einen solchen ergreifen und verhängen mancherlei Strafen, als wie Peitschen-, Stock- und Rutenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießrutenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende Ölbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung. Und so erleiden sie Tod oder tödliche Schmerzen. Auch das ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, (…).
Weiter sodann, Bhikkhus, verursacht von der Sinnlichkeit (…) wandeln sie in Taten den Weg des Unrechts, wandeln sie in Worten den Weg des Unrechts, wandeln sie in Gedanken den Weg des Unrechts. Und in Taten auf dem Wege des Unrechts, in Worten auf dem Wege des Unrechts, in Gedanken auf der Wege des Unrechts gelangen sie bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, abwärts, auf schlechte Fährte, in Verderben und Unheil. Auch das ist eine Gefahr bei der Sinnlichkeit, eine im kommenden Leben erfahrene Leidensmasse, verursacht von der Sinnlichkeit, mit der Sinnlichkeit als Ursprung und Grundlage, entstanden einfach aufgrund der Sinnlichkeit.
Und was, Bhikkhus, ist das Entkommen bei der Sinnlichkeit? Es ist das Überwinden von Begehren und Lust (des Willensreizes), das Zurückwerfen von Begehren und Lust bei der Sinnlichkeit Das ist das Entkommen bei der Sinnlichkeit.“
Was ist nun, ihr Bhikkhus, das Befriedigende an materieller Form? Angenommen eine Königstochter, oder eine priesterliche Jungfrau, oder ein Bürgermädchen, in der Blüte des fünfzehnten oder sechzehnten Jahres, nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu schlank, nicht zu voll, nicht zu dunkel, nicht zu hell: erscheint nicht eine solche schimmernde Schönheit, ihr Bhikkhus, zu dieser Zeit am Prächtigsten?“
„Freilich, Herr!“
„Das Erfreuliche und die Freude, die in Abhängigkeit von Schönheit und Lieblichkeit entstehen, das ist das Befriedigende bei materieller Form.
Was ist nun, ihr Bhikkhus, die Gefahr bei materieller Form? Da sähe man nun diese Schwester, ihr Bhikkhus, zu anderer Zeit, im achtzigsten oder neunzigsten oder hundertsten Lebensjahre, gebrochen, giebelförmig geknickt, abgezehrt, auf Krücken gestützt schlotternd dahinschleichen, siech, welk, zahnlos, mit gebleichten Strähnen, kahlem, wackelndem Kopfe, verrunzelt, die Haut voller Flecken: was meint ihr wohl, Bhikkhus? Ist, was einst schimmernde Schönheit war, verschwunden und die Gefahr sichtbar geworden?“
„Freilich, Herr!“
„Das aber, Bhikkhus, ist die Gefahr bei materieller Form. Weiter sodann, ihr Bhikkhus: man sähe nun diese Schwester unwohl, leidend, schwerkrank, mit Kot und Harn beschmutzt daliegen, von anderen gehoben, von anderen bedient, was meint ihr wohl, Bhikkhus? Ist, was einst schimmernde Schönheit war, verschwunden und die Gefahr sichtbar geworden?“
„Freilich, Herr!“
„Das aber, Bhikkhus, ist die Gefahr bei materieller Form. Weiter sodann, ihr Bhikkhus: man sähe nun diese Schwester auf der Leichenstätte, einen Tag oder zwei Tage oder drei Tage nach dem Verscheiden, aufgedunsen, blauschwarz gefärbt, in Fäulnis übergegangen: Was meint ihr wohl Bhikkhus? Ist, was einst schimmernde Schönheit war, verschwunden und die Gefahr sichtbar geworden?“
„Freilich, Herr!“
„Das aber, Bhikkhus, ist die Gefahr bei materieller Form. Weiter sodann, ihr Bhikkhus: man sähe nun diese Schwester, den Leib auf der Leichenstätte, von Krähen oder Raben oder Geiern zerfressen, von Hunden oder Schakalen zerfleischt, oder von vielerlei Würmern zernagt: was meint ihr wohl, Bhikkhus? Ist, was einst schimmernde Schönheit war, verschwunden und die Gefahr sichtbar geworden?“
„Freilich, Herr!“
„Das aber, Bhikkhus, ist die Gefahr bei materieller Form. Weiter sodann, ihr Bhikkhus: man sähe nun diese Schwester, den Leib auf der Leichenstätte, das Knochengerippe, fleischbehangen, blutbesudelt, von den Sehnen zusammengehalten; das Knochengerippe, fleischentblößt, blutbefleckt, von den Sehnen zusammengehalten; das Knochengerippe, ohne Fleisch, ohne Blut, von den Sehnen zusammengehalten; die Gebeine, ohne die Sehnen, hierher und dorthin verstreut, da ein Handknochen, dort ein Fußknochen, da ein Schienbein, dort ein Schenkel, da das Becken, dort Wirbel, da der Schädel: was meint ihr wohl, Bhikkhus? Ist, was einst schimmernde Schönheit war, verschwunden und die Gefahr sichtbar geworden?“
„Freilich, Herr!“
„Das aber, Bhikkhus, ist die Gefahr bei materieller Form. Weiter sodann, ihr Bhikkhus: man sähe nun diese Schwester, den Leib auf der Leichenstätte, die Gebeine, bleich, muschelfarben anzusehen; die Gebeine, zuhauf geschichtet, nach Verlauf eines Jahres; die Gebeine, verwest, in Staub zerfallen: was meint ihr wohl, Bhikkhus? Ist, was einst schimmernde Schönheit war, verschwunden und die Gefahr sichtbar geworden?“
„Freilich, Herr!“
„Das aber, Bhikkhus, ist die Gefahr bei materieller Form.
Und was, ihr Bhikkhus, ist des Körperlichen Überwindung? Es ist das Überwinden von Begehren und Lust (des Willensreizes), das Zurückwerfen von Begehren und Lust bei der materiellen Form.“ M 13
So lange man sich der Gefahr des Anhaftens an Sinnlichkeit und Körperlichkeit nicht klar bewußt ist, wird man die Entschlossenheit und das Durchhaltevermögen das nötig ist um genügend Weisheit zu entwickeln, damit Samsara überwunden werden kann, nicht aufbringen. Noch wird es gelingen, solange man nicht ein größeres Glück vor Augen hat.
„Wenn durch Verzicht auf kleines Glück er ein erhab´nes Glück gewahrt, geb´s kleine Glück der Weise auf im Anblick solch erhab´nen Glücks.“ Dhp 290
Der Bodhisatta entwickelt großen Enthusiasmus für die Weltabwendung und sucht die Abgeschiedenheit (viveka) aber auch wenn er von Sinnesfreuden umgeben ist, sieht er ihre Vergänglichkeit und Unzulänglichkeit und den Wert der Entsagung. So wird er sich auch als Haushälter immer wieder darin üben in dem er die verschieden sila über kürzere oder längere Zeit einhält. Das systematische Entsagen von Sinnesfreuden ist nicht gegen diese gerichtet sondern dient nur dazu uns das Anhaften an ihnen bewußt zu machen, damit wir uns schließlich davon befreien können.
„Wie das Gold der Goldschmied reinigt, macht der Weise ganz allmählich, immer weiter Stuf´um Stufe, frei sich von den eignen Flecken.“ Dhp 239
Nekkhamma ist, wie alle parami, ein Prozeß, eine Entwicklung die sich langsam und scheinbar unmerklich vollzieht. Das Ziel der Weltabwendung ist viveka (spirituelle Abgeschiedenheit, Alleinsein, Zurückgezogensein), also der Zustand dem man sich zuwendet, kann uns dabei helfen die Entwicklungsstufen besser zu verstehen. Es gibt drei Stufen von viveka: Kaya-viveka, körperliche Abgeschiedenheit, wenn der Körper ungestört ist durch äußere und innere Hindernisse wie beispielsweise Erledigungen die gemacht werden müssen, Ungeziefer, Lärm, Krankheit, Hunger oder Verspannungen; citta–viveka, geistige Abgeschiedenheit, wenn keine Herzenstrübungen (kilesa) und Hemmungen (nivarana) den Geist stören, wenn also keine „Willensgier zum Auge – zum Ohr – zur Nase – zur Zunge – zum Leib – zum Geist“ vorhanden ist und schließlich upadhi-viveka, spirituelle Abgeschiedenheit, die Freiheit von allem Anhaften und allen Quellen des Anhaftens d.h. Nibbana. Auf diese Weise mündet schließlich das unermüdliche Üben der Abwendung von der äußeren und inneren Welt in der vollständigen Hinwendung zu Nibbana, dem höchsten Glück (paramam sukham) und nicht in einem furchterregenden Abgrund.