(Übersetzt von Brigitte Schrottenbacher –
möge das Gute, daß aus dieser Übersetzung entsteht, meiner Mutter Maria Schnöll und allen unseren Müttern zu Gute kommen!)

Der Begriff „Mutter“ kann von dem „Liebe“ nicht getrennt werden. Liebe ist süß, zart und delikat. Ohne Liebe kann ein Kind nicht blühen, ein Erwachsener sich nicht voll entwickeln. Ohne Liebe sind wir schwach und verwittern.

An dem Tag, als meine Mutter starb, machte ich folgende Eintragung in mein Tagebuch: Das größte Unglück in meinem Leben ist geschehen.

Selbst ein älterer Mensch fühlt sich darauf völlig unvorbereitet. Er fühlt, daß die Zeit noch nicht reif ist und er plötzlich alleine ist. Er fühlt sich verlassen wie ein Waisenkind.

Alle Lieder, die die Mutter preisen sind schön, ungezwungen schön. Selbst jene Poeten und Liederschreiber, die wenig Talent besitzen, gehen mit ganzem Herzen an diese Arbeit. Jene, die diese Lieder und Stücke vorführen, empfinden dabei tiefe Rührung, wenn sie nicht die Mutter schon zu früh verloren haben, um zu wissen was Mutterliebe ist.

Lieder und Gedichte, die die Mutter lobpreisen, gibt es schon seit Anfang aller Zeiten und wird es wohl immer geben.

Als ich noch ein Kind war, hörte ich ein einfaches Gedicht, über den Verlust der Mutter. Es ist noch heute tief in meinem Herzen. Wenn eure Mutter noch lebt werdet ihr, wann immer ihr es lest, ihr gegenüber ein zärtliches Gefühl empfinden, und ihr werdet den, wenn auch noch nicht gekommenen, so doch unvermeidlichen Zeitpunkt fürchten.

In jenem Jahr, als meine Mutter mich verließ,

war ich noch so jung und fühlte,

daß ich ein verlassener Weise war.

Alle um mich haben geweint,

nur ich habe in Stille gelitten.

Als ich den Tränen ihren Lauf ließ,

da linderte sich mein Schmerz.

Die Dämmerung umhüllte Mutter’s Sarg,

leise klangen die Glöckchen vom Friedhof.

Mir wurde bewußt, daß die Mutter zu verlieren,

den Verlust des ganzen Universums bedeutet.

Für so viele Jahre taucht sie uns in eine Welt voll Zärtlichkeit und Liebe. Wir fühlen uns wohl darin und bemerken es gar nicht. Erst wenn es zu spät ist, wird es uns bewußt.

Die Leute vom Lande verstehen sich nicht so sehr darin, sich gewählt auszudrücken, wie die Leute aus der Stadt. Bezeichnen die Stadtmenschen eine Mutter als einen unermeßlichen Reichtum an Liebe, so ist das schon zu kompliziert für sie.

Die Leute vom Lande in Vietnam, vergleichen die Mutter mit den duftendsten Bananen, mit feinstem Bienenhonig, mit leckerem süßen Reis von bester Qualität oder mit bestem Rohrzucker. Sie drücken ihre Liebe auf diese einfache, direkte Weise aus. Für mich ist die Mutter wie eine BA HUONG Banane von bester Qualität, wie bester NEP MOT süßer Reis, wie der allerleckerste MIA LAU Rohrzucker!

Manchmal, wenn du Fieber hast, hast du einen bitteren, flauen Geschmack im Mund und nichts schmeckt dir. Nur wenn die Mutter kommt, dir sanft die Decke übers Kinn zieht, ihre Hand auf deine brennende Stirn legt (ist es wirklich eine Hand oder ist es himmlische Seide?) und sanft flüstert „mein armer Liebling“, fühlst du Hilfe und Pflege, umgeben von der Süße mütterlicher Liebe. Ihre Liebe ist so duftend wie eine Banane, wie süßer Reis, bester Honig und Rohrzucker.

Vater’s Arbeit ist enorm, so groß wie ein Berg. Mutter’s Respekt ist überflutend wie eine Quelle. Mutterliebe ist der erste Geschmack von Liebe, der Ursprung aller Liebesgefühle. Die Mutter ist der erste Lehrer, der uns Liebe lehrt – das wichtigste im Leben. Ohne die Mutter, wüßten wir nicht – wie zu lieben. Dank ihrer können wir unseren Nächsten lieben. Dank ihrer können wir alle Wesen lieben. Durch sie haben wir gelernt Verständnis und Mitgefühl zu entwickeln. Mutter ist das Fundament aller Liebe.

Die meisten Religionen anerkennen dies und verehren Mutterfiguren, wie Mutter Maria oder Mutter Kuan Yin.

Kaum ein Baby beginnt zu weinen ohne eine Mutter, die auf die Wiege zuläuft, um es zu trösten. Mutter ist sanfter, süßer Geist, der alles unglücklich sein und sorgen vergessen läßt. Nur das Wort Mutter zu hören, läßt das Herz mit Liebe erfüllen.

Im Westen wird im Mai der Muttertag gefeiert. Ich komme vom Lande, in Vietnam und habe noch nie von dieser Tradition gehört. Eines Tages als ich mit dem Mönch Thein An zu Besuch im Ginza Bezirk in Tokyo war, trafen wir vor einem Buchladen einige japanische Studenten, die seine Freunde waren. Einer von ihnen fragte ihn diskret eine Frage. Daraufhin zog er eine weiße Blüte aus der Tasche und heftete sie mir an die Robe. Ich war überrascht und etwas beschämt. Ich hatte keine Ahnung was diese Geste zu bedeuten hatte, traute mich aber auch nicht danach zu fragen. Ich versuchte mich so natürlich wie möglich zu verhalten und dachte bei mir, daß es wohl ein einheimischer Brauch sei. Als sie ihr Gespräch beendet hatten, gingen wir in den Buchladen und Thien An verriet mir, daß heute Muttertag ist. Ist die Mutter noch am Leben, so ist es in Japan der Brauch, daß man sich eine rote Blume ansteckt, stolz darauf, noch eine Mutter zu haben. Ist die Mutter schon verstorben, so steckt man sich eine weiße Blüte an.

Ich sah auf die weiße Blüte an meiner Robe und fühlte mich plötzlich sehr unglücklich. Ich war ein genauso unglückliches, verlassenes Waisenkind wie jedes andere unglückliche Waisenkind. Wir konnten nicht mehr stolz eine rote Blume tragen. Diejenigen die weiße Blüten tragen leiden und sie können nicht vermeiden, daß ihre Gedanken zurück zu ihrer Mutter schweifen. Sie können nicht vergessen, daß sie nicht mehr da ist. Diejenigen, die rote Blüten tragen, sind so glücklich, denn sie wissen, daß ihre Mutter noch lebt. Sie haben noch die Möglichkeit, ihr eine Freude zu bereiten, bevor es zu spät ist.

Ich wollte wir könnten auch in Vietnam und im Westen, einen solchen Brauch einführen.

Mutter ist ein nicht enden wollender Quell von Liebe, ein unerschöpflicher Schatz. Unglücklicherweise vergessen wir das nur zu leicht.

Ist eure Mutter noch am Leben, so wartet nicht bis nach ihrem Tode, um zu sagen: „Oh Gott! Ich habe jahrelang neben ihr gelebt, ohne sie je richtig anzusehen. Manchmal ein kurzer Blick und ein paar Worte, um etwas Taschengeld oder sonst was von ihr zu erbitten.“

Du hast dich an sie gekuschelt, um dich zu wärmen, hast dich bei ihr ausgeweint und warst ärgerlich auf sie. Sie hat sich um dich gesorgt und dabei ihre eigene Gesundheit vernachlässigt. Deinetwegen ist sie früh aufgestanden und spät zu Bett gegangen.

Viele Mütter sterben ihrer Kinder wegen. Ihr ganzes Leben erwarten wir von ihr, daß sie für uns kocht, wäscht und hinter uns sauber macht, während wir damit beschäftigt sind, an unsere guten Noten und unsere Karriere zu denken. Unsere Mütter haben keine Zeit mehr tief in uns hineinzuschauen und wir sind viel zu beschäftigt um sie genau anzusehen.

Erst wenn sie nicht mehr ist, werden wir uns dessen bewußt, eine Mutter gehabt zu haben.

Heute abend, wenn du von der Schule oder von der Arbeit nach Hause kommst, oder wenn du weit von ihr entfernt wohnst – das nächste mal wenn du sie besuchst, geh in ihr Zimmer und mit ruhigem, sanftem Lächeln setze dich zu ihr. Ohne zu sprechen, laß sie selbst ihre Arbeit niederlegen. Dann sieh ihr lange und tief in die Augen.

Mach das, um sie zu sehen, um zu sehen, daß sie da ist, sie lebt neben dir. Nimm ihre Hand und frage sie diese eine kurze Frage, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken: „Mutter, weißt du was?“ Sie wird etwas überrascht sein und vielleicht lächeln, wenn sie dich fragt: „Was, mein Liebes?“

Schau ihr weiterhin sanft in die Augen und sag ihr: „Weißt Du, daß ich dich liebe?“

Frag sie diese Frage ohne auf eine Antwort zu warten. Selbst wenn du schon dreißig, vierzig oder mehr Jahre alt bist, frag sie diese Frage als ihr Kind.

Deine Mutter und auch du wirst glücklich sein, in der Bewußtheit daß ihr einander liebt. Und morgen – wenn sie dich verläßt – wirst du dir nicht vorwerfen dies versäumt zu haben.

In Vietnam haben wir die Tradition am Ullambana Festtag den Geschichten und Legenden über Mandagalyayama, über kindliche Liebe, die Arbeit des Vaters, die Ergebenheit der Mutter und die Pflichten der Kinder zu hören. Jeder betet für ein langes Leben der Eltern – oder wenn diese schon verstorben sind – für deren glückliche Wiedergeburt in höheren Daseinsebenen.

Wir glauben, daß ein Kind, daß seine Eltern nicht liebt, nichts wert ist. Auch die Zuneigung des Kindes zu seinen Eltern entspringt der Liebe.

Ohne Liebe ist Respekt gegenüber den Eltern nur gekünstelt. Ist Liebe vorhanden, so muß nichts mehr zugetan werden – es ist dann recht so.

Die Mutter zu lieben ist genug. Dies ist keine Pflicht, sondern so natürlich wie trinken wenn man durstig ist. Jedes Kind muß eine Mutter haben und es scheint nur natürlich sie zu lieben. Die Mutter liebt ihr Kind und das Kind liebt seine Mutter. Das Kind braucht seine Mutter und die Mutter braucht ihr Kind. Braucht die Mutter ihr Kind nicht, so ist dies keine Mutter und es ist kein Kind. Es wäre ein Mißbrauch der Wörter Mutter und Kind.

Als ich noch jung war fragte mich einer meiner Lehrer:“Was sollst du tun, wenn du deine Mutter liebst?“ Ich antwortete ihm:“Ich muß ihr gehorchen, ihr helfen, mich um sie kümmern wenn sie alt ist und für sie beten. Ich muß mich um den Ahnenaltar kümmern, wenn sie für immer hinter dem Berg verschwunden ist.“ Heute weiß ich, daß die Frage „was“ unangebracht war.

Wenn du deine Mutter liebst, so mußt du überhaupt nichts tun. Du liebst sie – das ist genug. Die Mutter zu lieben, ist keine Frage von Moral und Tugend.

Bitte denke nicht, ich hätte dies geschrieben um dich moralisch zu belehren. Deine Mutter zu lieben ist eine Frage von Profit.

Die Mutter ist wie eine Quelle reinsten Wassers, wie feinster Honig, wie delikater Rohrzucker, wie süßer Reis von bester Qualität. Wenn du es nicht verstehst von ihr zu profitieren, so ist dies schade für dich.

Ich möchte dich bloß darauf aufmerksam machen, dir helfen es zu vermeiden, daß du dich eines Tages beschwerst, daß dir nichts im Leben geblieben ist. Stellt dich ein Geschenk wie die Anwesenheit der Mutter nicht zufrieden, so würdest du selbst als Präsident einer großen Gesellschaft oder als Herrscher des ganzen Universums, nicht zufrieden sein.

Ich möchte dir eine Geschichte erzählen. Bitte glaube nicht ich wäre gedankenlos.

Es wäre auch möglich gewesen, daß meine Schwester nicht geheiratet hätte, und ich nicht Mönch geworden wäre. In beiden Fällen haben wir unsere Mutter verlassen – sie um ein neues Leben an der Seite des Mannes zu führen, den sie liebt und ich, um meinem Ideal von einem Leben zu folgen.

In der Nacht bevor meine Schwester geheiratet hat, sorgte sich Mutter um tausend und ein Ding, sie schien überhaupt nicht traurig. Als wir uns aber zusammen an den Tisch setzten, um einen kleinen Imbiß zu nehmen, während wir auf die Familie ihres zukünftigen Mannes warteten, bemerkte ich, daß sie keinen Bissen zu sich genommen hatte. Sie sagte: „Achtzehn Jahre lang hat sie mit uns gegessen – heute ist es das letzte Mal. Morgen geht sie zu einer anderen Familie, um deren Mahlzeiten zu nehmen.“

Meine Schwester hat geweint. Über ihren Teller gebeugt sagte sie: „Mama, ich werde nicht heiraten“. Sie hat dann aber doch geheiratet.

Ich verließ meine Mutter um Mönch zu werden. Ich gratuliere jenen, die ihre Familie völlig losgelöst verlassen, um Mönch zu werden. Man sagt sie folgen dem geistigen Weg – aber ich bin nicht stolz darauf. Ich liebe meine Mutter – aber ich habe auch eine Idealvorstellung, was mein Leben betrifft – um dieser zu folgen, habe ich meine Mutter verlassen müssen, so schlimm das auch für mich war.

Manchmal ist es nötig, solch schwierige Entscheidungen zu treffen. Es ist schwierig, aber wenn wir akzeptieren aufzuwachsen, so müssen wir auch akzeptieren zu leiden.

Ich bereue nicht, meine Mutter verlassen zu haben, um Mönch zu werden aber es tat mir leid, eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Es war mir nicht möglich voll von diesem Schatz zu profitieren.

Jede Nacht bete ich für meine Mutter aber es ist mir nicht mehr möglich, diese duftende BA HUONG Banane, diesen exzellenten NEP MOT süßen Reis und den delikaten Rohrzucker zu genießen.

Denke nicht, daß ich dir empfehle, deine Karriere aufzugeben, um zu Hause an der Seite deiner Mutter zu leben. Ich habe bereits erwähnt, daß ich dir keinen Moralvortrag halten will. Ich möchte dich nur daran erinnern, daß Mutter einer dieser schmackhaften Bananen, dem süßen Reis, Honig und bestem Rohrzucker gleicht.

Sie ist Liebe und Zärtlichkeit – drum liebe Brüder und Schwestern – VERGEßT SIE BITTE NICHT!

Vergessen führt dazu, daß ihr einen imensen Verlust erleiden werdet. Ich hoffe, ihr werdet nicht aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit, einen solchen Verlust erleiden müssen.

Ich freue mich, daß ich euch diese rote Blume, diese Rose, anstecken kann – auf daß ihr glücklich sein könnt – das ist alles.

Wenn ich euch einen Vorschlag machen darf, so ist das jener:

Heute Abend, wenn ihr von der Schule oder von der Arbeit nach Hause kommt oder nächstes Mal, wenn ihr eure Mutter besucht, falls ihr weit von ihr entfernt wohnt, geht still in ihr Zimmer und mit einem sanften Lächeln, setzt euch an ihre Seite. Ohne etwas zu sagen, laßt sie ihre Arbeit beenden. Seht sie euch lange und gut an. Seht sie an, um zu realisieren, daß sie wirklich da ist, daß sie leibhaftig neben euch sitzt.

Dann nehmt ihre Hand und fragt sie diese eine kurze Frage: „Mutter weißt du was?“ Wahrscheinlich wird sie ein wenig überrascht sein und vielleicht lächeln, wenn sie euch fragt:

„Was, mein Liebes?“

Betrachtet sie weiter mit einem reinen Lächeln und sagt zu ihr: „Weißt Du daß ich dich liebe?“

Fragt sie diese Frage ohne auf eine Antwort zu warten.

Selbst wenn ihr schon dreißig, vierzig oder mehr Jahre alt seit, fragt sie diese Frage als ihr Kind.

Eure Mutter und ihr, werdet glücklich sein, in der Bewußheit dieser gegenseitigen Liebe.

Und morgen – wenn sie euch verläßt – werdet ihr nicht bereuen, dies versäumt zu haben.

Das ist der Refrain, den ich euch heute zum singen gebe.

Brüder und Schwestern, bitte singt ihn – singt ihn auf daß ihr nicht in Unwissenheit und Vergeßlichkeit lebt.

Diese rote Rose hab ich euch angesteckt – BITTE SEID GLÜCKLICH!